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DER MEDIZINISCHE FREITAG


Zumeist gruselig aber nicht ohne Faszination sind für uns Illustrationen, die aus dem Gebiet der Medizin stammen: Sägen, Bohrer, Messer und einzelne abgetrennte Körperteile. Anschaulich sind handkolorierte Nervenstränge oder auch roboterähnliche Körperdarstellungen, die aus dem Werk von Hieronymus Fabricius ab Aquapendente von 1666 stammen. Harmlos bis fantastisch wirken hingegen die sogenannten Monster, die unsere Vorstellungen von Außerirdischen genährt haben könnten. 1634 erschien das Buch De Monstrorum natura, caussis et differentiis von Fortunio Liceti. Hier werden Missbildungen und Abnormitäten aufgeführt, die aus der damals zur Verfügung stehenden Literatur vom Autor gesammelt worden sind. Es ist vor allem die naive Vorstellung des Illustrators, der mit diesen Abbildungen das Bild des Menschen auf faszinierende Art  erweitert hat und uns fabelhafte als auch surrealistische Lebewesen zeigt: der selbstbewusste Elefantenmensch lässt eine Fliege auf seinem Rüssel sitzen, das Schaf zeigt unter seiner prächtigen Gurkennase einen ebenso prächtigen Schnurrbart, Rinder fliegen wie Libellen, Libellen wie fliegende Fische, ein anderes Rind hat den Kopf eines bärtigen Gelehrten und ein Hahn gibt mit seinen vielen Beinen an.
Eine weitere sehr seltene Schrift von 1589 ist das Tractat von den aller fürtrefflichen und kräfftigsten Artzney wider allerley gifft, welches der Stein Bezaar ist…, das Wirkungen eines ganz besonderen Steines beschreibt, nämlich des Bezoarsteins. Der Konstanzer Stadtarzt Hieblin betont in dieser Veröffentlichung, dass Rafis, unter den Arabern der Hochgelehrteste, den Stein zweimal probiert und in ihm fürtreffliche Kraft und Tugend gefunden habe. Obwohl sich ebenso Hamech Beneripho und Abdala Marach als auch andere Gelehrte für diesen Stein ausgesprochen haben, konnten wir uns zu einem Selbstversuch allerdings noch nicht entschließen, da dieser gelbfarbige, weiche Stein ein Klumpen aus dem Magen einer Katze oder eines Greifvogels ist, der aus nichtverdaulichen Resten gefressener Beutetiere besteht. So halten wir uns lieber an die Ratschläge von Monsieur Hecquet, um uns vor der Pest und anderen ansteckenden Krankheiten zu schützen. Ausführliche Rezepturen lassen sich nachlesen in Arzney und Chirurgie der Armen aus dem Jahre 1781.

In den Notizen aus Frankfurt erfahren unsere Leser weitere gesundheitsfördernde und vor allem verführerische Maßnahmen, die man bei einem Besuch in der Braubachstraße nutzen kann.

 

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Medizin & Schokolade Hier in der Braubachstraße kann man unweit des Tresor am Römer in der Chocolaterie Bitter & Zart filigrane, gemusterte, cremeweiße, samtbraune, romantikblaue, pfefferminzgrüne und vor allem glückverbreitende Pralinen auswählen und erwerben. Schokolade ist gesund und so empfehlen wir nach dem Besuch im Antiquariat den Weg in die Nr.14, wo bereits das Weihnachtsgeschäft angelaufen ist, wie man gut auf den unteren Fotos erkennen kann. Auf dem großen Foto ist die freundliche und zuvorkommende Elle Wagner zu sehen, die seit kurzem dort mit zarten behandschuhten Fingern die empfindlichen Glückskugeln sortiert. Wer einen Ladenbesuch vermeiden möchte, kann auch online auswählen, bestellen, bezahlen und die vorbereiteten Köstlichkeiten ohne langwierigen Aufenthalt abholen.
 

Im Vorfeld der Antiquariatsmesse Stuttgart, die man 2021 aufgrund der Pandemie virtuell besuchen kann, findet am 25. November 2020 ein Gespräch zwischen Sibylle Wieduwilt und Ingo Schulze über sein letztes Buch "Die rechtschaffenen Mörder", dessen Hauptakteur passenderweise ein Antiquar ist, statt. Dieses Gespräch wird im Internet live mitzuverfolgen sein.

DER LITERARISCHE FREITAG


Eine Erzählung mag wie das Leben sein. Dies hätte Wladimir vermuten können, als Lucidor gekleidet im Morgenrock von Arabella und in Gestalt von Lucile auf ihn zustürzte. Schließlich ist er eine literarische Figur, ein Protagonist in Hugo von Hofmannsthals Erzählung Lucidor.
Die Literatur, so ist man geneigt zu resultieren, scheint ein Wunderstab zu sein. Auch aufgrund dieser Eigenschaft wird die heutige Freitagsseite dem Thema der Literatur gewidmet sein und wird angeführt von einem außerordentlichen Prosastück über die Liebe, rasantes Glücks- und Unglücksempfinden, Täuschung und Enttäuschung - mit einem offenen Ende, das des Lesers Gedanken in seine Realität und vermutlich wieder zurück führt. Denn die Illustrationen von Karl Walser, die sich hier dem Betrachter als Originalradierungen anbieten, laden den Leser ein, zu verweilen und seine Vorstellungskraft in Bewegung zu setzen zwischen den Sätzen des Autors, den Figuren des Illustrators und den eigenen Erfahrungen. Warum Lucidor eigentlich Lucile ist und die seltsamen Umstände, durch welche “sich die ganze Schönheit einer bedingungslos hingebenden Seele, wie Luciles” enthüllen konnte, erfahren wir vor allem in der ersten ansprechend gestalteten und von Karl Walser illustrierten und signierten Ausgabe von 1919.
Im gleichen Jahr, nämlich dem nach dem Ende des die Menschen aufwühlenden Ersten Weltkrieges, erscheint Robinson Crusoe von Daniel Defoe mit 85 teils ganzseitigen Lithographien von Richard Seewald. Diese expressionistischen Illustrationen zeigen überzeugend den Menschen in seiner Einsamkeit, zurückgeworfen auf seine bloße Existenz, eingefügt in die Natur neben Ziegen, Katzen und Papageien in einen Strichrhythmus, der auch durch seinen sensiblen Duktus verführt.

Der stämmige und meistens nach Knoblauch riechende Tartarin von Tarascon hingegen begibt sich in dem Roman Tartarin in den Alpen freiwillig in eine extreme Situation, die beinahe mit einer Katastrophe geendet wäre. Während des ereignisreichen Abenteuers wird Sonia, in die er sich verliebt hat, des Mordes verdächtigt, fällt er, der Beleibte, den Nihilisten in die Hände und begegnet zudem einem Schüler Schopenhauers. Nur ein Jahr nach der französischen Erstausgabe erschien diese deutschsprachige, in einer Vorzugsausgabe gebunden in einem roten Halbledereinband. Alphonse Daudet hat seinen sympathischen Helden mit seinen neuen Ruhmestaten humorvoll geschildert und in Frankreich ist er eine Art Volksfigur geworden. Doch seien Sie auf der Hut, wenn jemand zu Ihnen sagt: “Sie sind ja ein richtiger Tartarin!” Es könnte sein, dass er Sie indirekt als Angeber bezeichnet. Wir empfehlen die Lektüre des Romans, bevor eine Antwort gegeben wird.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Antiquariat & Kino In Frankfurt in dem Arthouse Kino Cinéma ist der Film The Booksellers trotz aller Widrigkeiten angelaufen. Am Samstag, den 31.10.2020, um 17.45 Uhr wird Sibylle Wieduwilt (Inhaberin dieses Antiquariats und Vorsitzende des Verbandes Deutscher Antiquare) den Film einleiten und wird nach der Vorführung gerne eventuelle Fragen des Publikums beantworten. 
Heute findet in Stuttgart im Arthouse Kino Atelier am Bollwerk eine Sonderveranstaltung mit anschließendem Filmgespräch mit Sibylle Wieduwilt, Max Neidhardt (Inhaber des Antiquariats Neidhardt) und in der Moderation Prof. Dr. Wulf D. von Lucius (Vorsitzender der Maximilian Gesellschaft) statt. Die Filmvorführung beginnt um 18.00 Uhr. Zudem wird der Film in mehreren deutschen Städten noch an diesem Wochenende in Arthouse Kinos zu sehen sein.

Der amerikanische Dokumentarfilm zeigt weibliche und männliche, verstaubte und sportliche, unsportliche und entstaubte, intellektuelle und intuitive, bebrillte und brillenlose, witzige, nachdenkliche, spleenige und vor allem interessante Buchhändler in ihren Antiquariaten, auf den Messen, bei Kunden, in den Straßen New Yorks, meistens zwischen Büchern. Wir werden in dem Film von D.W.Young zudem unterhaltsam über die Büchersammelleidenschaft informiert, über Probleme und Verdienste des Antiquariatswesens. Immer wieder kann man in den 99 Minuten erstaunt und begeistert sein über die Vielfalt des antiquarischen Metiers und dessen atmosphärische Dichte, die dieser Film transportiert. 
 

Das Foto zeigt die Tür des Tresor am Römer und unter dem Plakat vier zum Ladengeschäft gehörende Beine, die stets bemüht sind, den Kunden möglichst seltene und wertvolle Bücher flinken Schrittes näherzubringen.

DER FRANKFURTER FREITAG


Im Tresor am Römer, gelegen in der Frankfurter Innenstadt, zwischen Paulskirche, Fisch-Franke und dem Angel-Bär, in der Straße, wo einst der Braubach gluckste, sind wir in Maria Belli-Gontards Leben in Frankfurt am Main auf einen Hinweis vom Januar 1801 gestoßen, der unsere Aufmerksamkeit erregt hat, nämlich auf eine Empfehlung für ein Buchgeschenk. Die Kunst hübsche Männer zu fischen entzückt das weibliche Publikum in der Braubachstraße und entfacht so seine Neugierde. Wir sehen uns geneigt aus den beiden Bänden der Dame Belli-Gontard, in denen gesammelte Auszüge der Frag- und Anzeigungs-Nachrichten (des Intelligenz-Blattes) von ihrer Entstehung an im Jahre 1722 bis 1821 zu finden sind, zu zitieren, um das Interesse der Leserschaft zu wecken. So finden wir am 20.August [sic!] 1749 den Eintrag zu der Geburt von Joh.Wolffgang Goethe, dem umgehend eine Korrektur folgt: Der Setzer hat eine Null statt eines Neuners ergriffen ... Nun ist auch dieser Tag umstritten und scheint nicht ganz richtig zu sein, aber interessant ist diese Fußnote, zumal dort u.a. aus dem Nähkästchen geplaudert wird, nämlich dass die erste Flamme des Knaben Gretchen war, Tochter des Wirthes in Offenbach ... . Weitere Vorkommnisse ereigneten sich ebenso am 7.Januar 1766, nämlich des Abends auf der Zeil nächst der Schäfergaß, eine Kätzin von allerley Farben ... mit einem spitzen Kopf ... verlohren worden war ... außerdem wurde 1801 eine Empfehlung zur Nutzung der öffentlichen Badeanstalt von 22 Frankfurter Ärzten, darunter Dr. Sömmering, Dr. Huschke und Dr. Melber, veröffentlicht, deren Anzahl der Unterzeichner die Wichtigkeit des Themas vermuten lässt. Schließlich finden wir im Frühling 1820 eine Anzeige für ein großes Conzert des Geigers Alexander Jean Boucher, einer der merkwürdigsten Violinspieler neuerer Zeit, präludiert und begleitet von seiner Gattin. So unscheinbar diese vermischten Notizen auch erscheinen, so sehr können sie das Leben in Frankfurt in unserer Vorstellung bereichernd beleben. Der Blick der unten aufgeführten Reiseführer aus den Jahren 1836, 1840, 1843 oder die Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes der Freien Reichs-Wahl und Handels-Stadt Franckfurt am Mayn von 1747 sind ganz anderer Art und mit werbenden Kupferstichen ausgestattet, die nicht nur Gebäude zeigen, sondern auch die Ariadne, kühne Bezwingerin des Animalischen, die das Frankfurter Kunstbewusstsein ungemein erweitert.

Erwähnt werden sollte, dass hier nur ein geringer Teil unseres Frankfurtbestandes gezeigt werden kann, wir uns aber freuen würden, Sie im Laden begrüßen zu dürfen, in der Braubachstraße, wo mitunter noch gefischt wird, zumindest nach chevaleresken Männergestalten.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Stadtführung & Karneval Für Stadtführungen in der neuen Altstadt in Frankfurt, also unweit des Tresor am Römer, ist auch die Historikerin Silke Wustmann zuständig. Aufgrund der neuen Situation, die durch das Corona-Virus hervorgerufen wurde, bietet sie u.a. Führungen für kleine Gruppen mit einer Teilnehmerzahl von höchstens 10 Personen an. Silke hat hier im Antiquariat vor zwei Jahren zur Eröffnung der wiederaufgebauten Altstadt aus ihrem Buch Frankfurter Liebespaare vorgelesen und daher wissen wir, wie lebendig und witzig ihr Vortragsstil ist. Neben Führungen zu Frankfurter Märchen und Sagen, Königen und Kaisern sieht man sie auch häufig Gruppen, die kulinarisch interessiert sind, durch die Straßen und Gassen führen. Auf dem Foto sehen wir sie auf dem Hühnermarkt vor Friedrich Stoltze, wo sie das bildungshungrige und dankbare Publikum informiert. Im Hintergrund erahnen wir - etwas klein aber doch erwähnenswert - das Prinzenpaar, seine Tollität Jonas I. und ihre Lieblichkeit Sandra I., das - und dies ist eine aktuelle Mitteilung des Grossen Rates der Karnevalsvereine Frankfurt am Main e.V. - wegen der Corona-Situation 2021 nicht bei einer Sitzung inthronisiert werden kann. Dies ist tatsächlich eine Novität für die Frankfurter. Aber glücklicherweise bleibt uns noch die wohlschmeckende Frankfurter Grüne Soße - hier auf einer ansprechenden Postkarte zu sehen.

DER FLIEGENDE FREITAG


Schillernde Flügelschuppen, Federn in intensiven Farbtönen und wiederum der farbliche Nuancenreichtum der Käferalae rufen Staunen hervor, und die Buchveröffentlichungen wetteifern mit besonders detailreichen Darstellungen und strahlenden Farbaufträgen um Aufmerksamkeit. Zu den Prachtwerken der Ornithologie des 19. Jahrhunderts gehört die Iconographie des Perroquets von Charles de Souancé, die 48 Tafeln in Groß-Folio mit wunderschönen Papageiendarstellungen zeigt. Die sensible Kolorierung weist zarte und doch leuchtende Grüntöne einer breiten Farbpalette auf, die durch die Höhung mit Eiweiß noch intensiver wirkt. Nicht nur die Leichtigkeit und Schönheit dieser handkolorierten Lithographien sei erwähnenswert, sondern auch die naturwissenschaftliche Bedeutung dieser Veröffentlichung, wurden hier doch bisher unbekannte Papageienarten beschrieben. Fast 130 Jahre zuvor ist die dritte holländische Ausgabe der Metamorphosis Insectorum Surinamensium von Maria Sibylla Merian in Amsterdam erschienen und wir sind sehr stolz darauf, dieses berühmte Werk zusammen mit dem Blumenbuch und der Raupen wunderbare Verwandlung in der ersten holländischen Ausgabe anbieten zu können. Das Format in Groß-Folio, die umfangreiche Anzahl der Kupfertafeln, die künstlerische Umsetzung der Metamorphosen, die wissenschaftliche Pionierleistung, die Gefahren, die die Tochter des Kupferstechers Matthäus Merian mit 54 Jahren auf sich genommen hat, um in dem weitgehenst unzivilisierten Land Surinam zu forschen, machen dieses Objekt zu einem bestaunenswerten und imposanten Kunstwerk der Entomologie. Unverkennbar ist ihre künstlerische Handschrift, die sich zudem mit ihrem naturwissenschaftlichem Wissen vereint.

In der Angebotsliste verbergen sich auch Überraschungen - so gibt es ein Buch der Historiae naturalis aus der Mitte des 17.Jahrhunderts, das ein Kapitel über Drachen mit Flügeln enthält. Den Zweiflern von der Existenz des draco alatus möchten wir die Kupferstiche empfehlen, die uns die zahnreichen, schuppigen Tiere vor Augen halten und im lateinischen Text ihre Herkunft verraten.

Heiterkeit löst der Hut des Zeichners Tomi Ungerer aus. Mit seiner rosafarbigen Schleife fliegt er von dem Kopf eines reichen Mannes zu dem eines einbeinigen und bettelarmen Veteranen, dem er Glück bringen wird, denn Benito Badoglio wird eine ohnmächtige Prinzessin retten - "Wer seid Ihr, mutiger Retter?" - und die beiden werden heiraten. Auf der Fahrt in die Flitterwochen fliegt der Hut davon und die Prinzessin sagt: "Lass ihn fliegen, caro mio." Wir sind uns sicher, dass er hier in Frankfurt landen wird und gehen suchend mit Blick gen Himmel durch die Innenstadt. In den Notizen aus Frankfurt können Sie lesen, was wir entdeckt haben.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Brickegickel & Fliegenfischen Auf der Suche nach Vögeln oder Fliegendem streben wir - indem wir den Hühnermarkt passieren - zuerst die Alte Brücke an, auf der der Brickegickel sitzt. Das arme Tier ist vom betrogenen Teufel zerrissen worden - so erzählt man es sich noch heute in Frankfurt am Main. Denn ein Baumeister, der sich vom Teufel helfen ließ, indem dieser Übermenschliches leistete, wollte ihm anstatt der ersehnten Menschenseele die Seele des Hahns andrehen. Der Brickegickel, der heute für Diebe unerreichbar in Bronze und mit einer Goldschicht überzogen auf einer hohen Stange hockt, hat es im Laufe der Jahrhunderte in der Tat schwer gehabt. 1434 ist er beim Sturm ersoffen, 1635 von Schweden abgeschossen worden, 1739 unter der eingestürzten Brücke versunken, 1945 wurde er von der Wehrmacht bei der Sprengung der Brücke in die Fluten befördert, 1992 ist er schließlich gestohlen worden. Nun lebt der goldene Hahn also sein sechstes Frankfurter Leben. In der Braubachstraße gehen wir zum Angel-Bär, der neben Angelutensilien auch Kurse zum Fliegenfischen anbietet. Auf dem Foto können wir den Inhaber Jörg Kraft sehen, der auf unseren Wunsch hin den schillernsten Köder (ohne Widerhaken!) zum Fliegenfischen aus einer Schublade geholt hat. In der Regel fliegt ein viel kleinerer, eben fliegengroßer Lockköder möglichst weit, zielgerecht und vor allem kunstvoll über das Wasser, um eine Forelle anzulocken. Im Odenwald hat Herr Kraft hierzu einen kleinen Fluss gepachtet, wo der Forellenbestand nachhaltig gepflegt wird. Der Main ist zum Fliegenfischen leider nicht geeignet.

DER PHILOSOPHISCHE FREITAG


Philosophische Schriften wurden und werden häufig ohne ästhetische Lockmittel präsentiert. Der philosophische Freitag versucht sich heute durch Zuhilfenahme von dekorativen Stadtplänen und Ansichten auf die Spuren von Philosophen aus unserer Angebotsliste zu begeben. Vor dem Anatomieturm in Jena wird angeregt diskutiert, in Weimar zeigt uns das Wasser der Ilm die gespiegelte Welt, in Frankfurt können wir der damals sehr modernen Häuserzeile am Main folgen, um am Gebäude mit der Wohnstätte von Arthur Schopenhauer innezuhalten. Was mag er gesehen haben, als er Parerga und Paralipomena schrieb? Die Alte Brücke mit seinen Zeitgenossen oder eine verirrte weibliche Ameise auf seinem Fensterbrett? Im Angebot befindet sich die seltene erste Ausgabe dieser seiner kleinen philosophischen Schriften und Sämtliche Werke aus den Jahren 1911-1913, in denen man über u.a. Die Welt als Wille und Vorstellung, Über den Willen in der Natur, Über das Sehen und die Farben und Über die Verhunzung der deutschen Sprache lesen kann. Auch die Ansicht von Weimar bietet sich an, denn von Friedrich Nietzsche sind erst kürzlich die zwei Bände Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister in unser Angebot aufgenommen worden. Der 1.Band ist aus der raren ersten Ausgabe, die in nur ca. 450 Exemplaren verkauft worden ist. Auf Veranlassung seiner Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche sind die Gesammelte(n) Werke in der sogenannten Musarionausgabe herausgegeben worden und empfehlen sich ebenfalls in der Liste. G.W.F. Hegel, der vor 250 Jahren geboren wurde, wird mit seiner Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse und in einem Text über den Einfluß des Hegelschen geschichtsphilosophischen Schemas von Leopold von Henning bedacht. Desweiteren sollte an dieser Stelle auf mehrere Titel - zumeist in ersten Ausgaben - von Johann Gottlieb Fichte hingewiesen werden. Dank seines Aufenthaltes in Berlin, können wir den Plan mit der integrierten Gesamtansicht der Stadt zeigen. Der Kupferstich ist um 1740 bei Homann Erben gestochen und gedruckt worden und präsentiert sich in altem Kolorit und in einem äußerst dekorativen Erscheinungsbild.

In den Notizen aus Frankfurt haben wir uns in Richtung Main auf die Spuren von Arthur Schopenhauer begeben und sind sogar einem Pudel begegnet, der leider ein griesgrämiges Gemüt besaß und unsere Anfrage nach einem Foto entschieden ablehnte. Glücklicherweise haben wir noch ein alternatives Pudeltier entdeckt.

 

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Frankfurts Bibliothek & Schopenhauers Pudel Gülden schimmern die Buchstaben über die Straße hinweg zum Main: Litteris Recuperata Libertate Civitas. Dank Arthur Schopenhauer können wir seit 81 Jahren eine fehlerfreie Inschrift auf der alten Bibliothek lesen. Die vorherige ist nach der Fertigstellung 1825 von dem Philosophen als eine Verunzierung in Küchenlatein mit drei Fehlern entpuppt worden. Die Stadt hat also, so erfahren wir, nach Wiedererlangung der Freiheit das klassizistische Gebäude den Wissenschaften gewidmet. Im Zweiten Weltkrieg ist es fast komplett zerstört worden. Inzwischen befindet sich das Literaturhaus in der rekonstruierten Bibliothek. 
Der Pudel - Schopenhauer besaß stets einen - der kürzlich in den Straßen von Frankfurt promenierte, ließ sich, wie bereits oben erwähnt, leider nicht ablichten. Ganz unerwartet können wir aber einen Pudel aus dem Jahre 1827, also einen Zeitgenossen des Philosophenpudels, abbilden. Wir sehen ihn hier mit seinem Kumpel, dem Mops. Der Pudel hat übrigens den lateinischen Namen canis aquaticus, also Wasserhund, weil er einen Hang zum Baden hat. Vermutlich kommt daher auch die Bezeichnung des begossenen Pudels und so stellen wir uns vergnügt vor, dass der Philosoph und sein Pudel gemeinsam im Main baden gegangen sind.

DER FRANZÖSISCHE FREITAG


Heute eröffnen die beiden jungen Franzosen, der gute Toto und der böse Tom, unseren französischen Freitag. Le Bon Toto et le Méchant Tom ou la Journée de Deux Petits Garçons ist eine sogenannte Struwwelpetriade von Louis Ratisbonne, ein Autor des 19.Jahrhunderts, dessen Kinderbücher unter dem Pseudonym Trim erschienen sind. Monsieur Ratisbonne war anscheinend auch an deutscher Literatur interessiert - so gibt es Texte von ihm über Heinrich Heine und zudem hat der Struwwelpeter von Heinrich Hoffmann - dank seiner französischen Übersetzung - 1860 das Pariser Licht erblickt. Der böse Tom hat sich jedenfalls nicht vom deutschen und bitterbösen Friederich beeindrucken lassen, der ja bekanntlich aufgrund eines rächenden Hundebisses am Bein stark gelitten hat. Nein, Tom verschüttet das Frühstück, er ist fürchterlich dreckig, unordentlich, zänkisch, widerspenstisch - doch in der Nacht wird er seine Strafe bekommen, denn Alpträume und deren fiese Geister werden ihn plagen, während der gute Toto im Schlaf von einem Engel begleitet wird… Beruhigt können wir, die wir artig waren, nun den Beschreibungen der Katakomben in Paris von Héricart de Thury folgen. Dieser Ausgabe von 1815, die bereits durch das Thema besticht, sind zwei Briefe beigebunden, die aus der Feder des Autors stammen, der nebenbei bemerkt passenderweise ein Fan von Gothic Novels war. Der Empfänger der Briefe, Hardouin Michelin, dessen Namenseintrag wir auch auf dem Vorsatz finden, hat sich als Paläontologe ebenso wie Monsieur de Thury für Ausgrabungen und für die Société d‘encouragement pour l‘industrie nationale interessiert.


Geglückt erscheint uns an dieser Stelle der Blick auf die Aufklärungsschrift über Newton von Voltaire. Die Elémens de la philosophie de Neuton werden hier in einer für das französische Rokoko typisch gestalteten Ausgabe angeboten, die neben zahlreichen Textkupfern auch das berühmte Porträt dieses überaus wichtigen Aufklärers Voltaire beinhaltet. Folgen kann an dieser Stelle die Französische Revolution und Die Pariser Jacobiner in ihren Sitzungen, die damals ganz aktuell im Jahre 1793 erschienen sind. 1804 hat Johanna Schopenhauer, Mutter des Philosophen, eine Fahrt durch Frankreich unternommen. Die Reise von Paris durch das südliche Frankreich bis Chamouny zeigt nicht nur die schönen Dinge des damaligen Landes, sondern weist den Leser auch auf die Schmutzkörner hin, doch “jetzt bog der Wagen um eine Ecke und wir befanden uns mitten auf den Boulevards. Die artigen Häuser, zum Teil mit Gärtchen davor, die vielen Buden, die Zelte, die von schönen Bäumen eingefassten Alleen, das lustige Gewimmel der Spazierengehenden und Fahrenden, alles zeigte sich so lebendiger, als es schönes Wetter und obendrein Sonntag war …”.

Heute am Freitag in Frankfurt ist es nicht ganz so wunderbar wie sonntags in Paris, doch in den Notizen aus Frankfurt können wir auf einen Stand mit einem berühmten französischen Milchprodukt hinweisen, das mitunter über einen façettenreichen Geschmack verfügt und einen starken Geruch ausströmt.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Bouygette & Galletout In der Kleinmarkthalle finden wir von der Braubachstraße aus gesehen das nächste französische Produkt, nämlich den allseits geliebten französischen Käse am Stand von Mika am Markt. In der Mittagszeit herrscht reger Verkehr von suchenden hungrigen Kunden, die mit ihrem Mundschutz und knurrendem Magen an den zahlreichen Händlern vorbeiziehen. Stefan Beißler führt das internationale Sortiment vor und erläutert unsere Fragen zu dem auffällig geformten Ziegenkäse aus der Provence. Der Bouygette de Chèvre reift nämlich auf Farnblättern heran und erfreut den Käseliebhaber mit einem besonders milden Geschmack, der auch mit Honig oder Konfitüre begleitet werden kann. An einen gewölbten Kiesel aus der Dordogne erinnert der Galletout, ein Ziegenkäse aus dem Ort Cazillac. Überzogen ist die dünne Rinde von einem weißen, feinen Flaum, dessen Farbe Gourmets und Wortsuchende ein Galletoutweiß finden lassen. Und der sanfte, leicht säuerliche als auch frische Geschmack wird heute unseren französischen Freitag krönen.

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