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GRAFIK AM FREITAG


Gefahrenvoll war die 3-monatige Reise nach Surinam im Jahre 1699 allemal. Um so erstaunlicher ist es, dass eine Frau, Maria Sibylla Merian, diese enormen Anstrengungen und Risiken auf sich nahm, um eine Forschungsreise durchzuführen. Fast 2 Jahre hat sie die Metamorphosen der Insekten auf ihren Wirtspflanzen beobachtet, notiert und gezeichnet. Als sie wieder in der Kerkstraat in Amsterdam war, engagierte sie drei Stecher – „die besten“ -, die dort in ihrem Haus die Zeichnungen auf die Kupferplatten übertrugen. Auf diese Weise konnte die Ausführung der Kupferstiche in enger Zusammenarbeit entstehen. Maria Sibylla Merian beherrschte ebenso die Kupferstichkunst – drei Kupferplatten hat sie selbst bearbeitet - doch schließlich sollten für die erste Ausgabe 59 großformatige Bildtafeln entstehen, die die beschreibenden Texte ergänzen sollten. 1705 erschien die erste Ausgabe der Metamorphosis insectorum Surinamensium in nicht kolorierter (15 Gulden, die ungefähr heutigen 380 Euro entsprechen) oder handkolorierter (45 Gulden, ungefähr 1100 Euro) Ausführung. Bis 1771 sind weitere vier Auflagen erschienen, die von der Tochter um 12 Blätter erweitert wurden. Auf dem von uns angebotenen Blatt mit der Maniokpflanze und der Echse aus der 1771 in Paris erschienenen Ausgabe kann man aufgrund des Stechernamens erkennen, dass die Kupferplatte in der Kerkstraat in Amsterdam unter Aufsicht von Maria Sibylla Merian entstanden ist. Der Schwarzweiße Teju ist übrigens 1839 nach ihr benannt worden: Salvator merianae, schließlich soll die Forscherin als erste diese Echsenart in Wort und Bild beschrieben haben.


Auch zahlreiche Papageienarten waren Anfang des 19.Jahrhunderts weitgehend unbekannt. Der blaue Papagei mit dem roten Bändchen am Kopf, der durch sein farbintensiv wiedergegebenes Federkleid und seinen wachen Blick die Herzen der Liebhaber blauer Farbtöne erobert, ist von Jacques Barraband, gelernter Porzellanmaler, für eine Veröffentlichung – die berühmte Histoire naturelle des perroquets – lebensnah und die ornithologischen Merkmale verlässlich darstellend gezeichnet worden. Um die Farbenpracht und die Zartheit des Federkleides wiederzugeben, haben der Verleger und der Drucker entschieden, die 145 Tafeln des Bandes im Farbdruck à la poupée zu vervielfältigen, ein Verfahren, das äußerste Sorgfalt beim Farbauftrag auf die Druckplatte erfordert, da die Farben keinesfalls vermischt werden dürfen und für jeden neuen Druck wiederholt werden muss. Eigentlich handelt es sich bei jedem einzelnen Farbstich um eine einmalige Monotypie, der zudem von Hand beikoloriert worden ist und so die Farbintensität und der Tonreichtum nochmals gesteigert werden konnte.

Aufmerksam möchten wir auch auf die Radierungen von Giovanni Battista Piranesi machen, der diese Technik perfektioniert hat, um seine unverwechselbaren Rom-Ansichten mit den Hell-Dunkel-Kontrasten und den extremen perspektivischen Verkürzungen in tiefschwarzen Linien abzubilden. Piranesi soll auch des nachts in Rom Gebäude gezeichnet haben, häufig skizzenhaft. Auf der Radierplatte hat er selbst – ohne weiteren Stecher! - in den Deckfirnis die Motive mit dem Stichel ausarbeitend hineingeritzt, denn der künstlerische Ausdruck wird bei Piranesi untrennbar mit der Radiertechnik erzielt. Im angrenzenden Verkaufsraum seiner Druckwerkstatt im Palazzo Tomati wurden seine gemäldegroßen Veduten ab 1761 erfolgreich und vor allem an begeisterte Romreisende verkauft.

Ganz anders ist die Anmutung eines Stahlstiches. Die Linien in dem härteren Stahl sind gestochen scharf und erlauben eine hohe Auflage. In Deutschland wurde diese aus England stammende Technik von Carl Ludwig Frommel, der in London in dieser Technik ausgebildet wurde, 1824 eingeführt. Eine Marburg-Ansicht aus seinem Atelier für Stahlstich kann unten betrachtet und erworben werden, ebenso der Stahlstichplan von Frankfurt aus dem Jahre 1832, gefertigt und gedruckt in London nach der Vorzeichnung des Kartographen William Barnard Clarke, dessen Pläne noch immer bewundert und gesammelt werden. Nicht nur diese, sondern auch die kräftig kolorierten Guckkastenblätter, Kreidelithographien, mehrtonige Aquatinten und farbige Stiche in Punktiermanier lassen enthusiastische Sammler und Bewunderer der Druckgrafik erwarten.

INITIALEN AM FREITAG


ie Vielzahl und die erfreuliche Vielgestaltigkeit der Initialen des Antiquariatbestandes drängten uns geradezu diese Freitagsseite auf. Die Initialen sind zwar nur ein Detail der Textgestaltung, doch ihre Wirkung sollte nicht unterschätzt werden. Sie leiten Texte ein und unterteilen sie. Initialen schmücken das Schriftbild und ermahnen die Eintönigkeit. Handgemalte als auch gedruckte Initialen präsentieren sich in ihrer herausragenden Präsenz. Farbige Initialen erfreuen den Leser, Initialen mit ornamentalen Mustern umschmeicheln ihn, figurativ ergänzte Initialen illustrieren zumeist den Inhalt. Reich an diesen ist die von Gustav Schwab nacherzählte Argonautensage. 1923 hat Richard Seewald die Argonauten durch zahlreiche Illustrationen und Bildinitialen erweitert. Da fallen neben der Initiale A Halbgötter und Pferde vom Himmel, das J flankiert eine flüchtende Taube, neben dem D geifern Geier und ein weiteres D widersteht einem feuerschnaubenden, erzfüßigen Stier, mit dem Iason die Aresflur pflügen und Drachenzähne säen sollte. Pflügen und säen hat in der Initialengeschichte tatsächlich Tradition und kann an folgender Initiale aus der Inkunabelzeit bestätigt werden.


iese gotische Holzschnittinitiale wird von einem Landmann belebt, der sein Feld mit einer Egge bestellt. Sie gehört zu einem Kalender-Alphabet, das für unterschiedliche Titel von der Offizin Knoblochtzer benutzt worden ist. Hier wurde sie für ein Buch des Jacobus de Clusa von 1493 mit 4 weiteren Initialen verwendet, die mitunter stilistisch sehr unterschiedlich sind. Da wären gotische Initialen aber auch der auffällige Konturbuchstabe Q, der aus dem berühmten "Rokoko"-Alphabet Johann Zainers stammt. Dieses Alphabet wurde nachweisbar spätestens im Jahr 1477 kreiert und findet sich ebenso in anderen Texten.


ine unikale, von Hand gemalte und verzierte Initiale finden wir in einem Titel des Predigers Bernardinus de Bustis Rosarium Sermonu(m) predicabilium, 1508, dessen Band 1 durchgehend rubriziert und mit weiteren blauen, grünen und roten Initialen versehen ist. Diese schmücken den Bleilettersatz der Rotunda, eine gotische Schriftart, die im Mittelalter entstanden ist und im Buchdruck bis in die Renaissance Verwendung fand. Der Buchdrucker Heinrich Gran druckte vor allem theologische Werke in seiner Werkstatt in Hagenau im Elsass, damals die prosporierende Hauptstadt des Zehnstädtebundes mit einer fünfblättrigen Rose als Wappenzeichen. Dies wird hier aber nur erwähnt, damit der Übergang zur nächsten Initiale gelingt, denn Rosen waren ebenso die Wappenzeichen zweier gegnerischer Familien in England, die den Thron beanspruchten. Die Rosenkriege wurden später von Shakespeare dramatisiert und von einem deutschen Buchkünstler in ein initiales D zu Form gebracht.


ieses D wird sozusagen von einer Hand bewohnt, die nach der Rose in den Werken von William Shakespeare greift und leitet so die 10bändige Ausgabe ein. Melchior Lechter hat diese symbolkräftige Bildinitiale, die schmückt und zugleich einen inhaltlichen Bezug hat, für die deutsche Monumental-Ausgabe, 1908-1918, gezeichnet. Die 10 Bände sind typographisch aufwendig gestaltet und es ist ein Genuss darin zu lesen. Für Melchior Lechter, der sich sehr für Literatur interessiert haben soll und mit Stefan George befreundet war, ist die Form inhaltsbezogen und dreidimensional wie ein Gebäude gewesen: "Ich schmücke kein Buch, ich mache ein Buch."

Die nun folgende Liste startet im Jahr 1486 mit einer Inkunabel, deren Beginn ein wunderschönes R bildet, das zudem mit schwungvollem Federwerk verziert ist. Die Angebotsliste endet passenderweise mit dem Titel The Tail of Snuffly Snorty Dog von 1946, mit einem schönen, gotisch anmutendem O, in dem ein ausdrucksstarkes Porträt von Snuffly Snorty zu sehen ist. Noch ahnt man nicht, dass der Hund einen ganz ungewöhnlich grünen ... und außerdem ... Oooh! Oooh!

VIELERLEI AM FREITAG


Die diesjährigen Dezemberlichter mögen die Bücher der folgenden Angebotsliste ausreichend erhellen, um die belebende Wirkung, die die Themenvielfalt, wie sie bereits von den variantenreichen und wandelbaren Figuren des Walter Trier angekündigt wird, auf sich wirken zu lassen. Der tränenreiche Glitzer der zweiten Auflage der Leiden des jungen Werthers wird uns sentimental stimmen, das Seelenleid und das Ende des traurigen Helden vielleicht sogar bestürzen. Hingegen die Suche von Peter und Liesel nach dem Christkind im Münchener Weihnachts-Kalender ist von Josef Mauder so fröhlich, ja, drollig gezeichnet, dass wir in mildem wie in heiterem Wohlbefinden in Richtung Weihnachten steuern können. Und blättern wir in der Mappe Rues et Visages de New-York, stoßen wir zwischen den 15 handkolorierten Originalradierungen von Chas Laborde auch auf einen figurengewitzten Heilsarmeechor, der unsere Stimmung in Schwung trällert.

Verwirrung stiften könnte das Leben des fräuleinhaften Ritters Charles-Genevieve Louis-Auguste d'Eon de Beaumont, dessen Geschlechtsverwandlung sich vorteilhaft auf seine Tätigkeit als Spion ausgewirkt haben mag, ist er doch bis zur russischen Zarin vorgedrungen. Ob er dies als Mann oder als Fräulein vermochte, möchten wir hier noch nicht verraten. Doch wer sich für sein schillerndes Leben interessiert, könnte die vorweihnachtlichen Lektürestunden mit der ersten deutschen Ausgabe von 1779 verbringen. Wahre Freude verbreiten die Quite Crazy People von Walter Trier, die sich durch ihre Dreiteilung in 8192 Personen verwandeln können. So führt uns Tom Saywer im Rock der Fairy Queen als auch mit Zwergenlaterne durch das Freitagsangebot und Humpty Dumpty hat seinen Eierkopf mit dem eines Harlekins getauscht. Von dieser Trier'schen Heiterkeit werden wir auf den Weihnachtsmarkt von Frankfurt getrieben und frohlocken am Stand, der uns die Notizen aus Frankfurt am Ende der Angebotsliste versüßen wird.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Dreierlei Weihnachtsmarzipan Umgeben von vielerlei Ständen des Weihnachtsmarktes und umhüllt von einer Wurstduftwolke haben wir uns aus dem Antiquariat heraus und in die Menschenmasse hinein gewagt, um unseren Lieblingsstand mit unserer liebsten Weihnachtssüßigkeit zu fotografieren. Dieser Stand der Konditorei Keth befindet sich gleich in unserer Nähe vor dem Kunstverein unweit des Römerberges. Dort gibt es die Frankfurter Bethmännchen. Außerheimischen wird diese kleine Köstlichkeit vielleicht nicht bekannt sein, obwohl sie anlässlich des Fürstentages im Jahre 1863 auf einer Soirée von Moritz von Bethmann bei den fürstlichen, bürgermeisternden und sogar kaiserlichen Gästen Begeisterung hervorgerufen haben soll. Der Marzipangeschmack mit einer Rosennote ruft mitunter sogar bei durch Niedereggermarzipan verwöhnten Lübeckern entzückte Laute hervor und sein Äußeres mit den drei Mandelhälften ist so einfach wie prägnant. Schöpfer war der französische Chef de Cuisine der Frankfurter Familie Bethmann. Jean Jacques Gautenier hat für jedes der vier Kinder der Familie eine Mandelhälfte zur Verzierung verwendet - als ein Kind starb, schmückte er die kleinen Bethmänner fortan mit nur noch mit drei Hälften. "Hätschelhans" Goethe hat sich übrigens gerne von seiner Mutter die Frankfurter Brenten schicken lassen, die dem hungrigen Betrachter links auf dem Foto zuwinken. Sie werden auch aus Marzipanmasse aber ohne Rosenwasser zubereitet. Die Kethmännchen aus Pistazienmarzipan sind eine jüngere Kreation der Feinbäckerei Keth, die dieses Jahr mit drei Ständen und seit weit über 30 Jahren auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt vertreten ist. Auf dem Römerberg dreht und dreht sich das nostalgische Karussell mit ängstlich weinenden, überdreht schreienden und glückselig lachenden Kindern auf festlich geschmückten weißen Pferdchen. Es erinnert uns an das Karussell-Gedicht von Rainer Maria Rilke, dessen spektakulärer Nachlassankauf die Welt der Literatur kürzlich in freudige Aufregung versetzt hat. In dieser, ja, fast taumelnden Stimmung drehen wir uns weiter bis in das neue Jahr hinein - mit dreierlei erworbenem Marzipankonfekt.

MARTIN LUTHER AM FREITAG


Selbst wenn der Thesenanschlag am letzten Tag des Oktober 1517 an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg ein Mythos wäre, tönt das Einschlagen des Nagels, der das Papier mit den 95 Thesen befestigte, bis heute. Begleitet also von dem rhythmischen Hämmern offerieren wir unseren Kunden Lutherdrucke, Lutherbibeln, evangelische Gesangbücher und andere durch die Reformation beeinflusste Schriften. Aufmerksame Listenleser werden wiederholt auf den Namen Lucas Cranach stoßen. Cranach der Ältere, der Luthers lieber Gevatter und Freund war, besaß als sein alleiniger Porträtist die Exklusivrechte. Der Porträtholzschnitt, der den unten aufgeführten Titel Uon der Babilonischen gefengknuß der Kirchen illustriert, wurde nach einem Kupferstich von Lucas Cranach noch im selben Jahr 1520 von Hans Baldung Grien in Holz geschnitten. Und tatsächlich handelt es sich bei diesem Martin Luther als Augustinermönch um das erste Porträt, das von ihm gefertigt wurde, nämlich in jener Zeit, als er als Rebell und Ketzer einer drohenden Verbannung entgegensah. Im darauffolgenden Jahr reiste er nach Worms und schrieb Cranach auf der Rückreise von Frankfurt aus, dass er untertauchen wolle. Im Dezember 1521, die Zeit in der er mit der Neuübersetzung des Neuen Testaments begann, reiste er als Junker Jörg heimlich von der Wartburg nach Wittenberg, wo Cranach ihn mit Einsiedler- und Tarnbart malte. Und bereits im September 1522 erschien die erste Auflage des Newe Testament Deůtzsch, drei Monate später die verbesserte Auflage. Präsentieren können wir in unserer bescheidenen Liste aus diesen prallen Jahren allein sechs Veröffentlichungen - neben weiteren aus späteren Jahren - von Martin Luther. Sie unterstreichen wie rasant und unmittelbar die revolutionären Ereignisse jener Zeit vorangebracht wurden.

Der kecke Engel und der ruhende Hirsch stammen ebenso aus der Werkstatt von Lucas Cranach und beleben die Titelseite für eine Veröffentlichung von 1524 - Luther predigte zu diesem Zeitpunkt wieder in Wittenberg - in der er die Vorstellung äußerte, im Gottesdienst möge gesungen werden. Auch wollt ich / das wir viel deutscher geseng hetten / die das volck unter der Meßs süng [...] Wie fruchtbar seine Idee war, wissen nicht nur praktizierende und vor allem singende Gläubige der evangelischen Kirche. Umfangreiche Liedersammelsurien aus unterschiedlichen Regionen hüllen sich mitunter in wertvolle Gewänder und gesellen sich in unserer Angebotsliste zu den Lutherschriften. Gesungen hat Martin Luther auch in Frankfurt, wo er genächtigt hat, als er nach Worms fuhr. Überlieferungen zu dem Abend und was von der Herberge Zum Strauss übriggeblieben ist, haben wir für die Notizen aus Frankfurt fröhlich trällernd aufnotiert, fotografiert und in rastlosem Tun für den Abschluss unserer Lutherliste zusammengestellt.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Orpheus aus Wittenberg & der tunesische Strauß  Den Frankfurtern war die Existenz des Vogelstrauß im 16.Jahrhundert wohlbekannt, denn die Herberge, in der Luther auf dem Weg nach Worms nächtigte, hieß Zum Strauss. Vermutlich hat der Besitzer Wolf Bronner seinen Gasthof zwischen 1512 und 1519 nach dem auffälligen Vogelvieh benannt, das Frankfurt bereits im Jahre 1450 einen Besuch abgestattet haben soll. 1558, am Wahltag des neuen Kaisers Ferdinand, kam der zweite Strauß in die Stadt am Main, der - so ward es beschrieben - vor lauter Appetit und vielleicht sogar vor übermütiger Freude den Kindern die Kränzlein aus Blumen, Federn und Messing vom Kopf weggefressen haben soll. Der dritte Strauß reiste 1577 in die Krönungsstadt, wo er einen bleibenden Eindruck hinterließ, denn das Ganzkörperporträt, das fortan das Haus Zum Strauß zierte, wurde mit folgenden Zeilen überschrieben: Ein Strauss war anderthalb Jahr alt,/ an Grösse und Form gleich dieser Gestalt, / von Tunis in Barbarien Land, / ward uns Anno 1577 bekannt. Inzwischen können wir den eindrucksvollen Vogel, von jüngerer Hand im Jahr 1973 erneut gemalt, an der Mauer des ehemaligen Bethmann-Bankhauses mit langen Beinen entlang stolzieren sehen; fast genau dort, wo die Herberge vor ihrem Abriss Ende des 19.Jahrhunderts stand. Luther kam am 14.April 1521 in seiner Kutsche nach Frankfurt am Main, stieg Zum Strauss ab, ließ am Abend seine Laute in hellen Tönen erklingen und sang mit seiner sonoren Stimme "wie ein gewisser Orpheus, geschoren in der Kapuze" dazu, lästerte sein Gegner Johannes Cochläus und hinterlässt bei uns ein ungewöhnliches Bild des Reformators.

Nachtrag: Die Quelle, derer wir uns für all diese Informationen bedient haben, ist ein Beitrag von G.E.Steitz, den er für das Neujahrsblatt des Vereins für Geschichte und Altertum zu Frankfurt am 1.Januar 1861 darbrachte. Denn mit fremden Federn schmücken wir uns nicht, vor allem nicht mit denen unseres prächtigen Straußes aus Tunis, der unweit vom Tresor am Römer stetig unser vogelfreundliches Herz erfreut.


HEILKUNDE & MEDIZIN AM FREITAG


Mit Blick auf das heutige Thema nutzen wir die Gelegenheit, um auf einen Frankfurter Medicus aufmerksam zu machen. Doktor als auch Hofrath Peter Pasquay wurde 1719 in Frankfurt am Main als Kind einer wohlhabenden mit Tuch und Seide handelnden Familie geboren, studierte sicherlich fleißig an der Universität von Leiden Medizin, wurde im Jahre 1745 promoviert und wohnte nach Rückkehr in seine Heimatstadt als praktischer Arzt vorerst im Weißen Hirschen, der hier erwähnt wird, da dieser im wohlbekannten Großen Hirschgraben zu finden war. Bereits im Alter von 28 Jahren wird eine Untersuchung von ihm in bescheidener anonymer Autorschaft veröffentlicht, die ein wichtiges Dokument der Historie für die öffentliche Gesundheitspflege in Frankfurt im 18.Jahrhundert darstellt. Auf 136 Seiten und übertitelt mit Gründliche Abhandlung von dem Gehalt und denen Eigenschaften der Gemeinen Wassern überhaupt, ins besondere aber derer fürnehmsten in der Stadt Frankfurt am Mayn befindlichen Röhr- und Brunnen-Wassern.... liefert er eine Analyse des Frankfurter Brunnenwassers, die mitunter als besonders exakt und wissenschaftlich für die damalige Zeit hervorgehoben wird. Nicht nur erfährt der naturwissenschaftlich interessierte Leser die Ergebnisse des Wissenschaftlers, sondern er entnimmt der Abhandlung auch die Methoden, die angewandt wurden. Im zweiten Teil sind zudem Wasseranalysen aus Wiesbaden, Soden, Seltz, Dietz, Schwalbach und anderen Orten der Frankfurter Umgebung zu finden. Diese rare bei uns im Angebot befindliche Veröffentlichung lässt das universale Interesse des jungen Mediziners erkennen. Dieses war zwar typisch für die Zeit der Aufklärung und doch erstaunt es uns heute immer wieder.

Zudem konnten wir von dem Medizinhistoriker Wilhelm Kallmorgen erfahren, dass Peter Pasquay den enormen Betrag von 16.000 Gulden für ein Stipendium stiftete (ein Gerichtsschreiber verdiente 300 Gulden im Jahr, ein Student hätte hierfür 400 Bauernpferde kaufen oder ungefähr 100 Jahre lang in Kost und Logie leben können), eine umfangreiche naturwissenschaftliche Bibliothek sowie eine Kupferstichsammlung von 700 Blättern mit Medizinerporträts besaß. Besonders bewundernswert und von herausragender Güte muss die Pasquay'sche Mineraliensammlung gewesen sein. Johann Wolfgang Goethe erwähnt sie in seinem Tagebuch nach einer Besichtigung 1797 in Tübingen. Denn 1777, nach dem Tode des Frankfurter Arztes, Wissenschaftlers und Sammlers wurde sein Naturalienkabinett in einem 500 Seiten starken Katalog aufgelistet und von der Witwe, unterstützt von dem Bruder des Verstorbenen, zum Verkauf angeboten. Diese Sammlung, die sich durch Umfang und Qualität auszeichnete, befand sich in dessen Wohnhaus in der Zeil neben dem Roten Haus, wurde von Professor Gottlieb Storr aus Tübingen komplett erworben und ist heute glücklicherweise als ein Teil des Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart zu besichtigen, bedauerlicherweise aber nicht in Frankfurt geblieben.

Vorgestellt sein möchten auch die vorbildlich mit Verbänden umwickelten Herren. Diese, so wirkt es, sind ebenso erfreut über die Universalgelehrtheit ihrer Zeit. Sie dienten als Modelle für die Veranschaulichung von Verbandstechniken in dem Hauptwerk Institutiones Chirurgicae ... von dem ebenfalls in Frankfurt geborenen Lorenz Heister, das 1750 in der zweiten Ausgabe in Amsterdam mit 40 anschaulichen Kupfertafeln gedruckt wurde und als eine der Höhepunkte der wissenschaftlichen Chirurgie angesehen werden kann.

Damit unsere sogenannte und nach obigem Lorenz benannte Heister-Klappe nach wie vor gut in Form bleibt, möchten wir in den Notizen aus Frankfurt auf das Reformhaus hier in der Braubachstraße verweisen. Welche heisterklappenfreundlichen oder zumindest gallenfreundlichen Nahrungsmittel dort angeboten werden, erfahren Sie im Anschluss unserer sorgfältig chronologisch geordneten Angebotsliste.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Germanische Venus empfiehlt Gallentee am Freitag Das Frankfurter Reformhaus Freya wurde vor 112 Jahren von Willy Croy und Max Kessel gegründet und bediente vor allem Anhänger der damaligen Lebensreform mit vegetarischen Produkten. Heute, inzwischen der Reformhaus Herrmann GmbH zugehörig, gibt es über zehn Filialen in Frankfurt und Umgebung, darunter eine in der Braubachstraße und somit in der Nachbarschaft des Tresor am Römer. Freya ist die germanische Göttin der Liebe, unter anderem, und fliegt gerne durch die Lüfte - geschmückt mit einem von Zwergen geschmiedeten Halsband auf einem von Waldkatzen gezogenen Wagen, beschwingt durch ein Falkengewand. Der Wochentagsname Freitag, der ja Liebesgöttinnentag ist, lässt sich übrigens von der Göttin Freya ableiten, so eine umstrittene These. Unumstritten ist jedenfalls, dass auf dem oberen Foto der Reformhausmitarbeiter Andreas Eisenbach zu sehen ist. Er hütet und verkauft u.a. gesunde Lebensmittel und Kosmetikprodukte, für deren Herstellung keine unschuldigen Waldkatzen oder schlimmstenfalls Zwerge geopfert wurden. Das hiesige Freya-Sortiment wurde zudem für die heißhungrigen Braubachstraßenbewohner und die schnellhungrigen Braubachstraßenerwerbstätigen mit Spinat-Quiche und Linsenbratlingen erweitert (unteres Foto). Um wieder an das Thema des medizinischen Freitags anzuschließen, verweisen wir und Herr Eisenbach auf die zahlreichen Tees (Hintergrund oberes Foto), die Erkältungen lindern, Harnblasen besänftigen, die Verdauung vorantreiben und - dies wird Lorenz Heister und eventuell auch alle Heister-Klappen erfreuen - die Gallentätigkeit fördern.

DER JURISTISCHE FREITAG


Für den juristischen Freitag, an dem Recht und Gesetz walten mögen, haben wir einen Rechtsfall konstruiert, den wir anhand der uns zur Verfügung und den Interessenten zum Kauf stehenden Fachliteratur lösen möchten. Eine junge Ehefrau (dynamischer Typus, sportlich, sympathisch)  wurde von ihrem eigenen Ehemann (dickliche Gestalt, unangenehm, Griesgram) angezeigt. Sie hat ihn einen Vielfraß genannt und ist lachend mit dem Pferd namens Fadi (Vollblutaraber, temperamentvoll, glänzendes Fell in Hellbraun) davongaloppiert. Nach ihrem Ausflug werden ihr Beleidigung, Entführung und zudem Diebstahl zur Last gelegt und sie muss sich vor Gericht verteidigen. Hier ein Ausschnitt:

 

Anwalt des Ehemannes: Euer Ehren! Nicht nur hat dieses Weibsbild (er zeigt mit dem Index auf die Angeklagte) meinen Mandanten beleidigt, das gemeinsame Pferd entführt, nein! sie musste ja auch noch eine Forelle aus dem Bach stehlen! Ich beantrage als Strafe für diese Tat 3 Schilling gemäß des Sachsenspiegels von 1561, Zweites Buch, Artikel 28.


Angeklagte hebt den Arm, Richter signalisiert ihr, sich zu äußern.

Angeklagte: Euer Ehren ... (bescheidener Gesichtsausdruck) ... ich möchte erklären, dass es sich bei der Fischentnahme nicht um eine Dieberei handelt, sah ich doch wie ein kleines Fischerboot durch eine Welle bewegt hin- und herschwankte. Der Fischer warf seinen Fang vor Schreck über Bord, den ich sodann erhaschte und so berufe ich mich ebenfalls auf den Sachsenspiegel von 1561 auf Artikel 29 des Zweiten Buches.


Rascheln. Der Richter blättert flugs in seinem Sachsenspiegel (ein begehrenswertes Exemplar von 1561, um das ihn seine Richterkollegen beneiden! Es handelt sich um die zweite der berühmten Zobelschen Ausgabe. Widerstandsfähiges Schweinsleder der Zeit über Holzdeckeln auf 4 Bünden mit 2 Schließen)


Anwalt des Ehemannes:
Jedoch(!) wollte der Fischer bei nachlassendem Wellengang die Forellen wieder einfischen, doch nun fehlte eine! Deswegen! (triumphierend hebt er nun mit seiner Linken einen schmaleren Folioband empor (Halbpergament mit Marmorpapier), mit der Rechten einen weiteren (signalrot eingefärbtes Pergament) fordere ich gemäß der Bambergischen Peinlichen Halßgerichts-Ordnung von 1543 und! von 1694 gemäß Artikel cli: Diebstahl! Tod mit dem Schwert!


Der Überraschungscoup zeigt Wirkung. Aufgeregtes Geraune, Gemurmel, Entsetzen strömt aus den Zuschauerreihen. Die Gerichtsjournalisten machen hastig Notizen.

Angeklagte: Causa non finita est! (tätschelt das anregende Vocabularium iuris in zwei Bänden von Vicat, das sie im Antiquariat gekauft hat und nicht mehr missen möchte) Müssen wir nicht zuerst nach dem Besitztum des Wassers im Allgemeinen fragen: quid regum est? (die Angeklagte hält ebenfalls zwei Bände in die Höhe ... es handelt sich um Jacob Grimms Deutsche Rechtsalterthümer  - ein Grundlagenwerk zur historischen Betrachtung des deutschen Rechts) Außerdem möchte ich den Richter um Milderung des Urteils bitten, da es vielmehr ein Mundraub war. So steht es geschrieben im Sachsenspiegel. (sie zeigt auf den prächtigen Band auf dem Richtertisch) Die sogleich über einem Lagerfeuer geräucherte und verzehrte Forelle diente der Notnährung. Fadi speiste einen saftigen Apfel und eine wohlgeformte Birne, die ...


Anwalt des Ehemannes (in Rage mit roten Flecken im Gesicht): Schuldig ist also auch der Vollblutaraber. Auch Fadi ist ein Dieb!

Aufgrund dieser dreisten Behauptung, die jeglicher Rechtsgrundlage entbehrt - so glaubt es jedenfalls die Pferdeliebhaberin - schwingt sich ebendiese über den Angeklagetisch, stolziert selbstbewusst und erhobenen Hauptes vor den Anwalt und wirft ihm einen ihrer Lederhandschuhe (in provozierendem Rot) vor die Füße. Die Zuhörer halten die Luft an. Der Anwalt schaut mit säuerlicher Anwaltsmiene auf den effektvoll hingeworfenen Handschuh. Der Richter zeigt ein Lächeln, verbirgt dieses aber schnellstens wieder und vergisst sogar zur Ruhe zu mahnen.

Angeklagte: Ich empfehle Ihnen ... (sie blickt verächtlich den Anwalt ihres Ehemannes an) ... zur Information das Grundlagenwerk von Jacob Grimm, Stichwort "Handschuh", "Fehde", "Zweikampf", "duellum", "Verleumdung" oder einfach "Flegel"! (sie voltiert elegant, wedelt lässig mit dem anderen Handschuh und setzt sich wieder)


Es folgt hektisches Papierrascheln. Der Richter blättert erneut im Sachsenspiegel, der Anwalt im Grimm, die Angeklagte studiert das Register des Laienspiegels, eines der bedeutendsten Rechtsbücher der frühen Neuzeit, und stößt plötzlich einen kleinen Jubelschrei aus ... hier pausiert unser spektakuläres Gerichtsverfahren und wird voraussichtlich zum nächsten juristischen Freitag fortgesetzt. Vor der Angeklagten liegt übrigens eine Birne, passend zur Jahreszeit und vermutlich ein Beweisstück eines weiteren frechen Mundraubaktes. Doch dies bleibt vorerst eine Mutmaßung aus der Braubachstraße. Unterhalb des umfangreichen Angebotes zum Thema Recht, das nicht nur das Interesse der Juristen wecken könnte, sondern auch das von Einbandliebhabern, wird zudem - wir freuen uns sehr - ein justament erschienenes Buch über die Braubachstraße und ihre inzwischen dem Wasser entwöhnten Lebewesen vorgestellt. 

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Über der einstigen Braubach ... befindet sich auch der Tresor am Römer, nämlich in der zentral gelegenen Braubachstraße. Regelmäßig kommen bei uns verschiedene Stadtführer mit ihrer Gruppe vorbei. Dagmar Priepke, Autorin des kürzlich erschienenen Buches Die Braubachstraße, führt neugierige Menschen vor allem durch ebendiese unsere Straße. In dem Buch werden die Historie, Eigenarten und Besonderheiten aber vor allem das gegenwärtige Gesicht der Straße beschrieben, ja begeistert beschrieben. Wir erfahren nicht nur die Länge der Braubachstraße (302 Meter), die Zahl der Gebäude (33), der Anwohner (circa 280) und andere Fakten, sondern es werden auch fast alle Geschäfte sowie Einrichtungen mit Haut und Haaren porträtiert. Dagmar Priepke, die hier regelmäßig Frauen-Touren, Historische Frauen-Touren, Essen und Trinken-Touren, Frankforterisch-Touren und Kunst-Touren anbietet, konnten wir kürzlich auf einer ihrer Entdeckungstouren stoppen, damit sie drei Fragen für uns beantwortet:


Was macht die Braubachstraße so besonders?

Dagmar Priepke: Die Braubachstraße ist eine internationale Straße. Man denke an Kultur-Institutionen wie das MMK (Museum für Moderne Kunst), an das Fotografie Forum, an die Buchmesse, an den Verein Litprom und an die Galerie Anita Beckers. Diese internationale Ausrichtung unterscheidet die Straße elementar von anderen ebenfalls interessanten Straßen in Frankfurt. Dazu kommt - dass in der Braubachstraße besonders viele Frauen als Geschäftsinhaberinnen, Stiftungsleiterinnen, Galeristinnen usf gestalten und wirken. Es sind weit über zwanzig und das ist beachtlich viel und hat sicherlich seine Wirkung. Überhaupt ist der Mix - wohnen, leben, arbeiten, Kunst, Kultur, Gastronomie, Kurioses - sehr spannend. Und nicht zu vergessen, es gibt eine Vielzahl an sozialen Betrieben….. und  - das ist eine der Thesen meines Buches: es sind die Menschen, die eine Straße sind - in der Braubachstraße sind supertolle Akteure zusammen gekommen. Es sind großartige Menschen in dieser Straße!

Du hast 12 Jahre lang in der nachbarlichen Heussenstamm Galerie gearbeitet und seit 3 Jahren bietest Du hier Führungen an. Wie hat sich die Straße in dieser Zeit verändert?

Dagmar Priepke: Ich kenne ja die Braubachstraße schon seit den 1970er Jahren genauer. Damals wohnte ich um die Ecke und das Technische Rathaus wurde gerade eröffnet. Nun ist es wieder abgerissen.  Die Straße ist - vor allem in den letzten etwa 15 Jahren - jünger und lebendiger geworden. Einen großen Anteil daran hat sicherlich, die seit 2012 eröffnete Margarete, die ein echter urbaner Hotspot ist und viele junge Menschen angezogen hat. Die Straße ist auch heterogener geworden: Kunst, Gastronomie, Frankfurter, Touristen, Soziales, hippe Atmosphäre.

Was würdest Du Dir für die Braubachstraße von der Stadtpolitik wünschen?

Dagmar Priepke: Ich würde mir vor allem wünschen, dass ihr Potential erkannt wird. Dass bei Projekten und Einwirkungen der Stadt mit den Anrainern gesprochen wird - also Kommunikation. Und ich wünsche mir, daß diese Straße Modell oder Exempel für Stadträume von heute und morgen sein kann.

Das Buch Die Braubachstraße ist im Axel Dielmann Verlag erschienen, hat 176 Seiten, ist durchgehend mit farbigen Fotografien versehen und kann auch im Tresor am Römer für € 20,00 erworben werden. Mehr Informationen über Dagmar Priepkes Engagement, die Führungen und das Buch finden Sie unter folgendem Link: <link https: www.dagmar-touren.de eine externe webseite in einem neuen>Dagmar-Touren

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