VIELERLEI AM FREITAG


Die diesjährigen Dezemberlichter mögen die Bücher der folgenden Angebotsliste ausreichend erhellen, um die belebende Wirkung, die die Themenvielfalt, wie sie bereits von den variantenreichen und wandelbaren Figuren des Walter Trier angekündigt wird, auf sich wirken zu lassen. Der tränenreiche Glitzer der zweiten Auflage der Leiden des jungen Werthers wird uns sentimental stimmen, das Seelenleid und das Ende des traurigen Helden vielleicht sogar bestürzen. Hingegen die Suche von Peter und Liesel nach dem Christkind im Münchener Weihnachts-Kalender ist von Josef Mauder so fröhlich, ja, drollig gezeichnet, dass wir in mildem wie in heiterem Wohlbefinden in Richtung Weihnachten steuern können. Und blättern wir in der Mappe Rues et Visages de New-York, stoßen wir zwischen den 15 handkolorierten Originalradierungen von Chas Laborde auch auf einen figurengewitzten Heilsarmeechor, der unsere Stimmung in Schwung trällert.

Verwirrung stiften könnte das Leben des fräuleinhaften Ritters Charles-Genevieve Louis-Auguste d'Eon de Beaumont, dessen Geschlechtsverwandlung sich vorteilhaft auf seine Tätigkeit als Spion ausgewirkt haben mag, ist er doch bis zur russischen Zarin vorgedrungen. Ob er dies als Mann oder als Fräulein vermochte, möchten wir hier noch nicht verraten. Doch wer sich für sein schillerndes Leben interessiert, könnte die vorweihnachtlichen Lektürestunden mit der ersten deutschen Ausgabe von 1779 verbringen. Wahre Freude verbreiten die Quite Crazy People von Walter Trier, die sich durch ihre Dreiteilung in 8192 Personen verwandeln können. So führt uns Tom Saywer im Rock der Fairy Queen als auch mit Zwergenlaterne durch das Freitagsangebot und Humpty Dumpty hat seinen Eierkopf mit dem eines Harlekins getauscht. Von dieser Trier'schen Heiterkeit werden wir auf den Weihnachtsmarkt von Frankfurt getrieben und frohlocken am Stand, der uns die Notizen aus Frankfurt am Ende der Angebotsliste versüßen wird.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Dreierlei Weihnachtsmarzipan Umgeben von vielerlei Ständen des Weihnachtsmarktes und umhüllt von einer Wurstduftwolke haben wir uns aus dem Antiquariat heraus und in die Menschenmasse hinein gewagt, um unseren Lieblingsstand mit unserer liebsten Weihnachtssüßigkeit zu fotografieren. Dieser Stand der Konditorei Keth befindet sich gleich in unserer Nähe vor dem Kunstverein unweit des Römerberges. Dort gibt es die Frankfurter Bethmännchen. Außerheimischen wird diese kleine Köstlichkeit vielleicht nicht bekannt sein, obwohl sie anlässlich des Fürstentages im Jahre 1863 auf einer Soirée von Moritz von Bethmann bei den fürstlichen, bürgermeisternden und sogar kaiserlichen Gästen Begeisterung hervorgerufen haben soll. Der Marzipangeschmack mit einer Rosennote ruft mitunter sogar bei durch Niedereggermarzipan verwöhnten Lübeckern entzückte Laute hervor und sein Äußeres mit den drei Mandelhälften ist so einfach wie prägnant. Schöpfer war der französische Chef de Cuisine der Frankfurter Familie Bethmann. Jean Jacques Gautenier hat für jedes der vier Kinder der Familie eine Mandelhälfte zur Verzierung verwendet - als ein Kind starb, schmückte er die kleinen Bethmänner fortan mit nur noch mit drei Hälften. "Hätschelhans" Goethe hat sich übrigens gerne von seiner Mutter die Frankfurter Brenten schicken lassen, die dem hungrigen Betrachter links auf dem Foto zuwinken. Sie werden auch aus Marzipanmasse aber ohne Rosenwasser zubereitet. Die Kethmännchen aus Pistazienmarzipan sind eine jüngere Kreation der Feinbäckerei Keth, die dieses Jahr mit drei Ständen und seit weit über 30 Jahren auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt vertreten ist. Auf dem Römerberg dreht und dreht sich das nostalgische Karussell mit ängstlich weinenden, überdreht schreienden und glückselig lachenden Kindern auf festlich geschmückten weißen Pferdchen. Es erinnert uns an das Karussell-Gedicht von Rainer Maria Rilke, dessen spektakulärer Nachlassankauf die Welt der Literatur kürzlich in freudige Aufregung versetzt hat. In dieser, ja, fast taumelnden Stimmung drehen wir uns weiter bis in das neue Jahr hinein - mit dreierlei erworbenem Marzipankonfekt.

MARTIN LUTHER AM FREITAG


Selbst wenn der Thesenanschlag am letzten Tag des Oktober 1517 an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg ein Mythos wäre, tönt das Einschlagen des Nagels, der das Papier mit den 95 Thesen befestigte, bis heute. Begleitet also von dem rhythmischen Hämmern offerieren wir unseren Kunden Lutherdrucke, Lutherbibeln, evangelische Gesangbücher und andere durch die Reformation beeinflusste Schriften. Aufmerksame Listenleser werden wiederholt auf den Namen Lucas Cranach stoßen. Cranach der Ältere, der Luthers lieber Gevatter und Freund war, besaß als sein alleiniger Porträtist die Exklusivrechte. Der Porträtholzschnitt, der den unten aufgeführten Titel Uon der Babilonischen gefengknuß der Kirchen illustriert, wurde nach einem Kupferstich von Lucas Cranach noch im selben Jahr 1520 von Hans Baldung Grien in Holz geschnitten. Und tatsächlich handelt es sich bei diesem Martin Luther als Augustinermönch um das erste Porträt, das von ihm gefertigt wurde, nämlich in jener Zeit, als er als Rebell und Ketzer einer drohenden Verbannung entgegensah. Im darauffolgenden Jahr reiste er nach Worms und schrieb Cranach auf der Rückreise von Frankfurt aus, dass er untertauchen wolle. Im Dezember 1521, die Zeit in der er mit der Neuübersetzung des Neuen Testaments begann, reiste er als Junker Jörg heimlich von der Wartburg nach Wittenberg, wo Cranach ihn mit Einsiedler- und Tarnbart malte. Und bereits im September 1522 erschien die erste Auflage des Newe Testament Deůtzsch, drei Monate später die verbesserte Auflage. Präsentieren können wir in unserer bescheidenen Liste aus diesen prallen Jahren allein sechs Veröffentlichungen - neben weiteren aus späteren Jahren - von Martin Luther. Sie unterstreichen wie rasant und unmittelbar die revolutionären Ereignisse jener Zeit vorangebracht wurden.

Der kecke Engel und der ruhende Hirsch stammen ebenso aus der Werkstatt von Lucas Cranach und beleben die Titelseite für eine Veröffentlichung von 1524 - Luther predigte zu diesem Zeitpunkt wieder in Wittenberg - in der er die Vorstellung äußerte, im Gottesdienst möge gesungen werden. Auch wollt ich / das wir viel deutscher geseng hetten / die das volck unter der Meßs süng [...] Wie fruchtbar seine Idee war, wissen nicht nur praktizierende und vor allem singende Gläubige der evangelischen Kirche. Umfangreiche Liedersammelsurien aus unterschiedlichen Regionen hüllen sich mitunter in wertvolle Gewänder und gesellen sich in unserer Angebotsliste zu den Lutherschriften. Gesungen hat Martin Luther auch in Frankfurt, wo er genächtigt hat, als er nach Worms fuhr. Überlieferungen zu dem Abend und was von der Herberge Zum Strauss übriggeblieben ist, haben wir für die Notizen aus Frankfurt fröhlich trällernd aufnotiert, fotografiert und in rastlosem Tun für den Abschluss unserer Lutherliste zusammengestellt.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Orpheus aus Wittenberg & der tunesische Strauß  Den Frankfurtern war die Existenz des Vogelstrauß im 16.Jahrhundert wohlbekannt, denn die Herberge, in der Luther auf dem Weg nach Worms nächtigte, hieß Zum Strauss. Vermutlich hat der Besitzer Wolf Bronner seinen Gasthof zwischen 1512 und 1519 nach dem auffälligen Vogelvieh benannt, das Frankfurt bereits im Jahre 1450 einen Besuch abgestattet haben soll. 1558, am Wahltag des neuen Kaisers Ferdinand, kam der zweite Strauß in die Stadt am Main, der - so ward es beschrieben - vor lauter Appetit und vielleicht sogar vor übermütiger Freude den Kindern die Kränzlein aus Blumen, Federn und Messing vom Kopf weggefressen haben soll. Der dritte Strauß reiste 1577 in die Krönungsstadt, wo er einen bleibenden Eindruck hinterließ, denn das Ganzkörperporträt, das fortan das Haus Zum Strauß zierte, wurde mit folgenden Zeilen überschrieben: Ein Strauss war anderthalb Jahr alt,/ an Grösse und Form gleich dieser Gestalt, / von Tunis in Barbarien Land, / ward uns Anno 1577 bekannt. Inzwischen können wir den eindrucksvollen Vogel, von jüngerer Hand im Jahr 1973 erneut gemalt, an der Mauer des ehemaligen Bethmann-Bankhauses mit langen Beinen entlang stolzieren sehen; fast genau dort, wo die Herberge vor ihrem Abriss Ende des 19.Jahrhunderts stand. Luther kam am 14.April 1521 in seiner Kutsche nach Frankfurt am Main, stieg Zum Strauss ab, ließ am Abend seine Laute in hellen Tönen erklingen und sang mit seiner sonoren Stimme "wie ein gewisser Orpheus, geschoren in der Kapuze" dazu, lästerte sein Gegner Johannes Cochläus und hinterlässt bei uns ein ungewöhnliches Bild des Reformators.

Nachtrag: Die Quelle, derer wir uns für all diese Informationen bedient haben, ist ein Beitrag von G.E.Steitz, den er für das Neujahrsblatt des Vereins für Geschichte und Altertum zu Frankfurt am 1.Januar 1861 darbrachte. Denn mit fremden Federn schmücken wir uns nicht, vor allem nicht mit denen unseres prächtigen Straußes aus Tunis, der unweit vom Tresor am Römer stetig unser vogelfreundliches Herz erfreut.


Ausschnitt Delkeskamp-Plan, 1864

HEILKUNDE & MEDIZIN AM FREITAG


Mit Blick auf das heutige Thema nutzen wir die Gelegenheit, um auf einen Frankfurter Medicus aufmerksam zu machen. Doktor als auch Hofrath Peter Pasquay wurde 1719 in Frankfurt am Main als Kind einer wohlhabenden mit Tuch und Seide handelnden Familie geboren, studierte sicherlich fleißig an der Universität von Leiden Medizin, wurde im Jahre 1745 promoviert und wohnte nach Rückkehr in seine Heimatstadt als praktischer Arzt vorerst im Weißen Hirschen, der hier erwähnt wird, da dieser im wohlbekannten Großen Hirschgraben zu finden war. Bereits im Alter von 28 Jahren wird eine Untersuchung von ihm in bescheidener anonymer Autorschaft veröffentlicht, die ein wichtiges Dokument der Historie für die öffentliche Gesundheitspflege in Frankfurt im 18.Jahrhundert darstellt. Auf 136 Seiten und übertitelt mit Gründliche Abhandlung von dem Gehalt und denen Eigenschaften der Gemeinen Wassern überhaupt, ins besondere aber derer fürnehmsten in der Stadt Frankfurt am Mayn befindlichen Röhr- und Brunnen-Wassern.... liefert er eine Analyse des Frankfurter Brunnenwassers, die mitunter als besonders exakt und wissenschaftlich für die damalige Zeit hervorgehoben wird. Nicht nur erfährt der naturwissenschaftlich interessierte Leser die Ergebnisse des Wissenschaftlers, sondern er entnimmt der Abhandlung auch die Methoden, die angewandt wurden. Im zweiten Teil sind zudem Wasseranalysen aus Wiesbaden, Soden, Seltz, Dietz, Schwalbach und anderen Orten der Frankfurter Umgebung zu finden. Diese rare bei uns im Angebot befindliche Veröffentlichung lässt das universale Interesse des jungen Mediziners erkennen. Dieses war zwar typisch für die Zeit der Aufklärung und doch erstaunt es uns heute immer wieder.

Zudem konnten wir von dem Medizinhistoriker Wilhelm Kallmorgen erfahren, dass Peter Pasquay den enormen Betrag von 16.000 Gulden für ein Stipendium stiftete (ein Gerichtsschreiber verdiente 300 Gulden im Jahr, ein Student hätte hierfür 400 Bauernpferde kaufen oder ungefähr 100 Jahre lang in Kost und Logie leben können), eine umfangreiche naturwissenschaftliche Bibliothek sowie eine Kupferstichsammlung von 700 Blättern mit Medizinerporträts besaß. Besonders bewundernswert und von herausragender Güte muss die Pasquay'sche Mineraliensammlung gewesen sein. Johann Wolfgang Goethe erwähnt sie in seinem Tagebuch nach einer Besichtigung 1797 in Tübingen. Denn 1777, nach dem Tode des Frankfurter Arztes, Wissenschaftlers und Sammlers wurde sein Naturalienkabinett in einem 500 Seiten starken Katalog aufgelistet und von der Witwe, unterstützt von dem Bruder des Verstorbenen, zum Verkauf angeboten. Diese Sammlung, die sich durch Umfang und Qualität auszeichnete, befand sich in dessen Wohnhaus in der Zeil neben dem Roten Haus, wurde von Professor Gottlieb Storr aus Tübingen komplett erworben und ist heute glücklicherweise als ein Teil des Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart zu besichtigen, bedauerlicherweise aber nicht in Frankfurt geblieben.

Vorgestellt sein möchten auch die vorbildlich mit Verbänden umwickelten Herren. Diese, so wirkt es, sind ebenso erfreut über die Universalgelehrtheit ihrer Zeit. Sie dienten als Modelle für die Veranschaulichung von Verbandstechniken in dem Hauptwerk Institutiones Chirurgicae ... von dem ebenfalls in Frankfurt geborenen Lorenz Heister, das 1750 in der zweiten Ausgabe in Amsterdam mit 40 anschaulichen Kupfertafeln gedruckt wurde und als eine der Höhepunkte der wissenschaftlichen Chirurgie angesehen werden kann.

Damit unsere sogenannte und nach obigem Lorenz benannte Heister-Klappe nach wie vor gut in Form bleibt, möchten wir in den Notizen aus Frankfurt auf das Reformhaus hier in der Braubachstraße verweisen. Welche heisterklappenfreundlichen oder zumindest gallenfreundlichen Nahrungsmittel dort angeboten werden, erfahren Sie im Anschluss unserer sorgfältig chronologisch geordneten Angebotsliste.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Germanische Venus empfiehlt Gallentee am Freitag Das Frankfurter Reformhaus Freya wurde vor 112 Jahren von Willy Croy und Max Kessel gegründet und bediente vor allem Anhänger der damaligen Lebensreform mit vegetarischen Produkten. Heute, inzwischen der Reformhaus Herrmann GmbH zugehörig, gibt es über zehn Filialen in Frankfurt und Umgebung, darunter eine in der Braubachstraße und somit in der Nachbarschaft des Tresor am Römer. Freya ist die germanische Göttin der Liebe, unter anderem, und fliegt gerne durch die Lüfte - geschmückt mit einem von Zwergen geschmiedeten Halsband auf einem von Waldkatzen gezogenen Wagen, beschwingt durch ein Falkengewand. Der Wochentagsname Freitag, der ja Liebesgöttinnentag ist, lässt sich übrigens von der Göttin Freya ableiten, so eine umstrittene These. Unumstritten ist jedenfalls, dass auf dem oberen Foto der Reformhausmitarbeiter Andreas Eisenbach zu sehen ist. Er hütet und verkauft u.a. gesunde Lebensmittel und Kosmetikprodukte, für deren Herstellung keine unschuldigen Waldkatzen oder schlimmstenfalls Zwerge geopfert wurden. Das hiesige Freya-Sortiment wurde zudem für die heißhungrigen Braubachstraßenbewohner und die schnellhungrigen Braubachstraßenerwerbstätigen mit Spinat-Quiche und Linsenbratlingen erweitert (unteres Foto). Um wieder an das Thema des medizinischen Freitags anzuschließen, verweisen wir und Herr Eisenbach auf die zahlreichen Tees (Hintergrund oberes Foto), die Erkältungen lindern, Harnblasen besänftigen, die Verdauung vorantreiben und - dies wird Lorenz Heister und eventuell auch alle Heister-Klappen erfreuen - die Gallentätigkeit fördern.

DER JURISTISCHE FREITAG


Für den juristischen Freitag, an dem Recht und Gesetz walten mögen, haben wir einen Rechtsfall konstruiert, den wir anhand der uns zur Verfügung und den Interessenten zum Kauf stehenden Fachliteratur lösen möchten. Eine junge Ehefrau (dynamischer Typus, sportlich, sympathisch)  wurde von ihrem eigenen Ehemann (dickliche Gestalt, unangenehm, Griesgram) angezeigt. Sie hat ihn einen Vielfraß genannt und ist lachend mit dem Pferd namens Fadi (Vollblutaraber, temperamentvoll, glänzendes Fell in Hellbraun) davongaloppiert. Nach ihrem Ausflug werden ihr Beleidigung, Entführung und zudem Diebstahl zur Last gelegt und sie muss sich vor Gericht verteidigen. Hier ein Ausschnitt:

 

Anwalt des Ehemannes: Euer Ehren! Nicht nur hat dieses Weibsbild (er zeigt mit dem Index auf die Angeklagte) meinen Mandanten beleidigt, das gemeinsame Pferd entführt, nein! sie musste ja auch noch eine Forelle aus dem Bach stehlen! Ich beantrage als Strafe für diese Tat 3 Schilling gemäß des Sachsenspiegels von 1561, Zweites Buch, Artikel 28.


Angeklagte hebt den Arm, Richter signalisiert ihr, sich zu äußern.

Angeklagte: Euer Ehren ... (bescheidener Gesichtsausdruck) ... ich möchte erklären, dass es sich bei der Fischentnahme nicht um eine Dieberei handelt, sah ich doch wie ein kleines Fischerboot durch eine Welle bewegt hin- und herschwankte. Der Fischer warf seinen Fang vor Schreck über Bord, den ich sodann erhaschte und so berufe ich mich ebenfalls auf den Sachsenspiegel von 1561 auf Artikel 29 des Zweiten Buches.


Rascheln. Der Richter blättert flugs in seinem Sachsenspiegel (ein begehrenswertes Exemplar von 1561, um das ihn seine Richterkollegen beneiden! Es handelt sich um die zweite der berühmten Zobelschen Ausgabe. Widerstandsfähiges Schweinsleder der Zeit über Holzdeckeln auf 4 Bünden mit 2 Schließen)


Anwalt des Ehemannes:
Jedoch(!) wollte der Fischer bei nachlassendem Wellengang die Forellen wieder einfischen, doch nun fehlte eine! Deswegen! (triumphierend hebt er nun mit seiner Linken einen schmaleren Folioband empor (Halbpergament mit Marmorpapier), mit der Rechten einen weiteren (signalrot eingefärbtes Pergament) fordere ich gemäß der Bambergischen Peinlichen Halßgerichts-Ordnung von 1543 und! von 1694 gemäß Artikel cli: Diebstahl! Tod mit dem Schwert!


Der Überraschungscoup zeigt Wirkung. Aufgeregtes Geraune, Gemurmel, Entsetzen strömt aus den Zuschauerreihen. Die Gerichtsjournalisten machen hastig Notizen.

Angeklagte: Causa non finita est! (tätschelt das anregende Vocabularium iuris in zwei Bänden von Vicat, das sie im Antiquariat gekauft hat und nicht mehr missen möchte) Müssen wir nicht zuerst nach dem Besitztum des Wassers im Allgemeinen fragen: quid regum est? (die Angeklagte hält ebenfalls zwei Bände in die Höhe ... es handelt sich um Jacob Grimms Deutsche Rechtsalterthümer  - ein Grundlagenwerk zur historischen Betrachtung des deutschen Rechts) Außerdem möchte ich den Richter um Milderung des Urteils bitten, da es vielmehr ein Mundraub war. So steht es geschrieben im Sachsenspiegel. (sie zeigt auf den prächtigen Band auf dem Richtertisch) Die sogleich über einem Lagerfeuer geräucherte und verzehrte Forelle diente der Notnährung. Fadi speiste einen saftigen Apfel und eine wohlgeformte Birne, die ...


Anwalt des Ehemannes (in Rage mit roten Flecken im Gesicht): Schuldig ist also auch der Vollblutaraber. Auch Fadi ist ein Dieb!

Aufgrund dieser dreisten Behauptung, die jeglicher Rechtsgrundlage entbehrt - so glaubt es jedenfalls die Pferdeliebhaberin - schwingt sich ebendiese über den Angeklagetisch, stolziert selbstbewusst und erhobenen Hauptes vor den Anwalt und wirft ihm einen ihrer Lederhandschuhe (in provozierendem Rot) vor die Füße. Die Zuhörer halten die Luft an. Der Anwalt schaut mit säuerlicher Anwaltsmiene auf den effektvoll hingeworfenen Handschuh. Der Richter zeigt ein Lächeln, verbirgt dieses aber schnellstens wieder und vergisst sogar zur Ruhe zu mahnen.

Angeklagte: Ich empfehle Ihnen ... (sie blickt verächtlich den Anwalt ihres Ehemannes an) ... zur Information das Grundlagenwerk von Jacob Grimm, Stichwort "Handschuh", "Fehde", "Zweikampf", "duellum", "Verleumdung" oder einfach "Flegel"! (sie voltiert elegant, wedelt lässig mit dem anderen Handschuh und setzt sich wieder)


Es folgt hektisches Papierrascheln. Der Richter blättert erneut im Sachsenspiegel, der Anwalt im Grimm, die Angeklagte studiert das Register des Laienspiegels, eines der bedeutendsten Rechtsbücher der frühen Neuzeit, und stößt plötzlich einen kleinen Jubelschrei aus ... hier pausiert unser spektakuläres Gerichtsverfahren und wird voraussichtlich zum nächsten juristischen Freitag fortgesetzt. Vor der Angeklagten liegt übrigens eine Birne, passend zur Jahreszeit und vermutlich ein Beweisstück eines weiteren frechen Mundraubaktes. Doch dies bleibt vorerst eine Mutmaßung aus der Braubachstraße. Unterhalb des umfangreichen Angebotes zum Thema Recht, das nicht nur das Interesse der Juristen wecken könnte, sondern auch das von Einbandliebhabern, wird zudem - wir freuen uns sehr - ein justament erschienenes Buch über die Braubachstraße und ihre inzwischen dem Wasser entwöhnten Lebewesen vorgestellt. 

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Über der einstigen Braubach ... befindet sich auch der Tresor am Römer, nämlich in der zentral gelegenen Braubachstraße. Regelmäßig kommen bei uns verschiedene Stadtführer mit ihrer Gruppe vorbei. Dagmar Priepke, Autorin des kürzlich erschienenen Buches Die Braubachstraße, führt neugierige Menschen vor allem durch ebendiese unsere Straße. In dem Buch werden die Historie, Eigenarten und Besonderheiten aber vor allem das gegenwärtige Gesicht der Straße beschrieben, ja begeistert beschrieben. Wir erfahren nicht nur die Länge der Braubachstraße (302 Meter), die Zahl der Gebäude (33), der Anwohner (circa 280) und andere Fakten, sondern es werden auch fast alle Geschäfte sowie Einrichtungen mit Haut und Haaren porträtiert. Dagmar Priepke, die hier regelmäßig Frauen-Touren, Historische Frauen-Touren, Essen und Trinken-Touren, Frankforterisch-Touren und Kunst-Touren anbietet, konnten wir kürzlich auf einer ihrer Entdeckungstouren stoppen, damit sie drei Fragen für uns beantwortet:


Was macht die Braubachstraße so besonders?

Dagmar Priepke: Die Braubachstraße ist eine internationale Straße. Man denke an Kultur-Institutionen wie das MMK (Museum für Moderne Kunst), an das Fotografie Forum, an die Buchmesse, an den Verein Litprom und an die Galerie Anita Beckers. Diese internationale Ausrichtung unterscheidet die Straße elementar von anderen ebenfalls interessanten Straßen in Frankfurt. Dazu kommt - dass in der Braubachstraße besonders viele Frauen als Geschäftsinhaberinnen, Stiftungsleiterinnen, Galeristinnen usf gestalten und wirken. Es sind weit über zwanzig und das ist beachtlich viel und hat sicherlich seine Wirkung. Überhaupt ist der Mix - wohnen, leben, arbeiten, Kunst, Kultur, Gastronomie, Kurioses - sehr spannend. Und nicht zu vergessen, es gibt eine Vielzahl an sozialen Betrieben….. und  - das ist eine der Thesen meines Buches: es sind die Menschen, die eine Straße sind - in der Braubachstraße sind supertolle Akteure zusammen gekommen. Es sind großartige Menschen in dieser Straße!

Du hast 12 Jahre lang in der nachbarlichen Heussenstamm Galerie gearbeitet und seit 3 Jahren bietest Du hier Führungen an. Wie hat sich die Straße in dieser Zeit verändert?

Dagmar Priepke: Ich kenne ja die Braubachstraße schon seit den 1970er Jahren genauer. Damals wohnte ich um die Ecke und das Technische Rathaus wurde gerade eröffnet. Nun ist es wieder abgerissen.  Die Straße ist - vor allem in den letzten etwa 15 Jahren - jünger und lebendiger geworden. Einen großen Anteil daran hat sicherlich, die seit 2012 eröffnete Margarete, die ein echter urbaner Hotspot ist und viele junge Menschen angezogen hat. Die Straße ist auch heterogener geworden: Kunst, Gastronomie, Frankfurter, Touristen, Soziales, hippe Atmosphäre.

Was würdest Du Dir für die Braubachstraße von der Stadtpolitik wünschen?

Dagmar Priepke: Ich würde mir vor allem wünschen, dass ihr Potential erkannt wird. Dass bei Projekten und Einwirkungen der Stadt mit den Anrainern gesprochen wird - also Kommunikation. Und ich wünsche mir, daß diese Straße Modell oder Exempel für Stadträume von heute und morgen sein kann.

Das Buch Die Braubachstraße ist im Axel Dielmann Verlag erschienen, hat 176 Seiten, ist durchgehend mit farbigen Fotografien versehen und kann auch im Tresor am Römer für € 20,00 erworben werden. Mehr Informationen über Dagmar Priepkes Engagement, die Führungen und das Buch finden Sie unter folgendem Link: Dagmar-Touren

LITHOGRAFIEN AM FREITAG


Das 1797 von Alois Senefelder erfundene Flachdruckverfahren lässt vor allem die Musikherzen aus Offenbach am Main und auch unsere, die nachbarlichen Herzen aus dem Frankfurter Antiquariat Tresor am Römer, höher schlagen. Diese erfreulich belebenden Herzschläge verdanken wir vor allem dem aufmerksamen Notenverleger Johann Anton André, der nur zwei Jahre nach der Erfindung der Lithografie deren Vorteile erkannte. Eine kostengünstige Produktion, hohe Auflagen und der weniger aufwendige Herstellungsweg veranlassten ihn, den Erfinder aus München nach Offenbach zu holen. In der Domstraße, damaliger Sitz der Notenfabrique André, wurden fortan die Notenwerke auch von Lithosteinen gedruckt.


Darunter waren nicht weniger als 79 Erstveröffentlichungen nach Autographen von Wolfgang Amadeus Mozart, die J.A.André von der Witwe des Komponisten erworben und hier am Main "in genauer Übereinstimmung mit dem Manuskript des Komponisten" veröffentlicht hat. Der Wert dieser Erstdrucke wird auch aufgrund der sorgfältigen Notenwiedergaben hoch geschätzt, sind doch längst nicht mehr alle Autographen Mozarts sowie anderer Komponisten vorhanden. In den Folgejahren verbreitete sich das Steindruckverfahren von Offenbach aus in Europa und die Welt. Bereits 1800 errichtete Philipp André in London und 1802 Friedrich André in Paris eine Druckanstalt, so dass ebenso europäische Verleger von Ansichtenwerken oder naturwissenschaftlicher Veröffentlichungen von der neuen Druckmanier profitierten, wie man in der folgenden Angebotsliste sehen kann.


Nicht nur das geschmeidige Fell des Kamels, die glatte Haut des indischen Tapirs, die glänzenden Augen des kleinen Löwenhündchens, sondern auch die zarte Flügelhaut der Fledermaus ließen sich mit Kreide oder Tinte überzeugend auf der besonderen Oberfläche der Lithosteine aus Solnhofen abbilden – häufig direkt von den naturwissenschaftlichen Zeichnern und somit zuverlässig in der detaillierten Darstellung. Ab 1817 hat Senefelder bereits Farblithografien mit elf Platten gedruckt. Neben der Werbung, die im industriellen Zeitalter immer umtriebiger wurde, nutzten ebenso zahlreiche Künstler die Möglichkeiten der Lithografie, und so behauptete sich der Steindruck im 19.Jahrhundert als dominante Drucktechnik.


In unseren Notizen im Abschluss – dieses Mal passenderweise aus Offenbach – stellen wir ergänzend und begeistert das heutige Musikhaus André sowie die Lithografieskulptur der Stadt in Wort und Bild vor.

NOTIZEN AUS OFFENBACH

E-Gitarren & ataivarT aL Die Fahrt von der Braubachstraße in die Nachbarstadt zum Marktplatz dauert mit der S-Bahn ungefähr 15 Minuten und nur einige Schritte entfernt liegt das Musikhaus André, das seit beinahe 250 Jahren in der Stadt am Main und seit 1923 in der Frankfurter Straße 28 ansässig ist. Hier werden Schlagzeuge, Blas-, Tasten- sowie Saiteninstrumente, elektronisches Zubehör oder sogar Tempelglocken verkauft, vermietet und auch repariert. Weiterhin kann Musikliteratur erworben werden und alte Noten, die einst im Verlag André veröffentlicht wurden - immerhin 17000 Werke! lesen wir staunend - werden für Interessierte der Fachwelt aus dem Archiv im Keller herausgesucht und kopiert. Im Geschäft entdecken wir sogleich das Porträt von Johann Anton André sowie bezeichnete Lithosteine mit seitenverkehrten Schriftzügen ataivarT aL oder grubnepmuH nov reD, die neben E-Gitarren platziert wurden und so auf die Tradition des Familienunternehmens aufmerksam machen. Hans-Jörg André, der 1992 in siebter Generation dieses übernommen hat, hält freundlicherweise für unser Foto einen dieser nicht ganz leichten Steine empor, der aus den Trümmern der im Zweiten Weltkrieg komplett zerstörten Druckerei in der Domstraße geborgen werden konnte. Wer mehr über das Musikhaus André erfahren möchte, kann den folgenden Link betätigen: Musikhaus André Auch die Stadt Offenbach pflegt das Lithografieerbe im Haus der Stadtgeschichte; im Büsingpark finden wir die Skulptur der Lithografie-Steine, auf dem uns das drei buckliche Kameel seitenverkehrt und sehr freundlich entgegenschaut, unweit des Büsing Palais, des für die Buchgestaltung so wichtigen Klingspor-Museums, des Isenburger Schlosses, des Lili-Tempels – denn Goethe hatte eine Liaison in Offenbach mit Lili Schönemann, die er im Hause André kennengelernt haben soll, selbstverständlich musizierend – und schließlich ist auch das Deutsche Ledermuseum nicht weit entfernt. Offebach, wir kommen!

FOTOGRAFIE AM FREITAG


So ein Lederfotoalbum mit goldenen eingeprägten Lettern und aufkaschierten Albuminabzügen im Innern strahlt eine besonders intensive Atmosphäre aus. Warmtonig, rotbraun oder gegilbt erscheinen Menschen am Hafen von Marseille, die Bootssegel in Cannes, die Laternen in Monte-Carlo, die Felsen von Monacco als auch die verblassende Dame mit Sonnenschirm, die tatsächlich durch das Bad in der Silbernitratlösung eine Erscheinung geworden ist. Eine schwebende Erscheinung in Albumingelb ist auch der liegende Hund oder das in einer vergangenen Welt sitzende Herrchen. Dieses besondere Gelb ist durch den Schwefel entstanden, der sich im Eiweiß oder eben im Albumin befindet und mit der Silbernitratlösung reagiert hat. Fast alle diese Aufnahmen sind von unterschiedlichen Berufsfotografen angefertigt, häufig mit dem Fotografennamen versehen und in wuchtigen Alben montiert worden.  


Der Fotograf Jean Giletta hat den Karneval in Nizza als Motiv gewählt und die fröhliche Pappmachéfigur - begleitet von Tausenden von karnevalsbereiten Feiernden - abgelichtet. Die bewegungsfreudigen Karnevalisten sind zumeist scharf abgebildet, was nicht selbstverständlich war, stellte die Bewegungsunschärfe doch aufgrund der Lichtunempfindlichkeit der chemischen Emulsionen einige Jahre zuvor noch ein Problem für jeden Fotografen dar. In dem Florentiner Fotoalbum von Giacomo Brogi, datiert auf circa 1880, sehen wir deswegen entweder menschenleere öffentliche Plätze oder vehuschte Körper neben bewegungslos posierenden Gebäuden und Kunstwerken aus Marmor. Der Wahlrömer James Anderson soll für die Aufnahmen von Skulpturen in dunklen Kirchenecken oder Ölbildern an düsteren Vatikanwänden mitunter Belichtungszeiten von mehreren Stunden benötigt haben. Er und sein Sohn Domenico haben sodann geschäftstüchtig ihre Aufnahmen über eine Buchhandlung an der Piazza di Spagna und diese ins Ausland bis in die Vereinigten Staaten vertrieben. So konnte das riesige Gemälde der Trasfigurazione von Raffael ebenso im fernen Indiana an der Universität Notre-Dame von bildhungrigen Kunstprofessoren bewundert werden. Auch der deutsche Fotograf Alfred Noack aus Dresden ging nach Rom und einige Jahre später - 1860 - nach Genua, um dort fortan als Alfredo Noack Fotografien der ligurischen Küste anzubieten, die besonders gut bei Touristen ankamen. Man liest sogar, dass er auf diese Weise die italienische Riviera erfunden habe. Den Frankfurter Georg Sommer zog es im gleichen Jahr wie seinen sächsischen Kollegen nach Rom; er eröffnete dann in Neapel sein Fotostudio als Giorgio Sommer, von wo aus er Italien mit seiner großen Plattenkamera bereiste. Seine Fotografien des rauchenden Vesuvs, der palmengesäumten Piazza Vittoria in Neapel, aber auch der Isola Bella am Lago Maggiore und der Gotthardbahn nährten so die Erinnerungen der ehemaligen Reisenden und die Neugierde der Daheimgebliebenden.

Erweitert haben wir unser Angebot durch zwei Titel über Optik, durch Glasplatten für die Laterna Magica mit dem Struwwelpeter und einige Guckkastenblätter, die wir mitunter etwas verwirrt betrachten, da der Abdruck seitenverkehrt ist. Hergestellt wurden diese ausschließlich in London, Bassano, Paris und Augsburg - Ende des 18. bis Anfang des 19.Jahrhunderts - um vorzugsweise auf Jahrmärkten von sogenannten Guckkastenmännern, angeblich Kriegsinvalide oder arbeitslose Seeräuber, mit Hilfe von Licht und Linsen nicht nur farbig sondern auch effektreich präsentiert zu werden. Für die Notizen aus Frankfurt sind wir mit unserer Handtaschenkamera lediglich einige Treppenstufen nach oben galoppiert, wo sich das zu empfehlende Fotografie Forum Frankfurt mit einer unlängst neu eröffneten Ausstellung befindet.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

FFF in der Braubachstraße 30-32 Über dem Antiquariat Tresor am Römer befinden sich die Ausstellungsräume des Vereins Fotografie Forum Frankfurt, kurz FFF. Das FFF wurde 1984 gegründet und bietet den Fotofans gemeinnützig und unabhängig nicht nur regelmäßig Ausstellungen sondern auch Symposien, Buchpublikationen, Vorträge und Kurse an. Nicht zu übersehen sind die Ferienkurse für Kinder und Jugendliche. Diese strömen dann mit Kameras vom FFF aus und suchen in der Stadt Motive, die sie als fotografiewürdig erachten. Mitunter kommt es auch vor, dass ein Knirps mit Finger am Auslöser in der Tür des Antiquariats steht und auf unsere Füße zielt oder das Buchschaufenster als fotogen einstuft. Mit einer Träne der Rührung blicken wir den fidelen und entdeckungsfreudigen Kleinen dann hinterher und beklatschen das fruchtbare Engagement des FFF. Jüngst eröffnet wurde die Ausstellung einer finnischen Fotokünstlerin mit dem Titel In Reference to a sunny place. Elina Brotherus fungiert als Fotografin und zugleich als Motiv ihrer Fotos, die häufig Bildwerke zitieren. Und so erkennen wir auch im Aufbauchaos sogleich den Wanderer wieder, der um 1818 von Caspar David Friedrich auf dem Felsen vor dem Nebelmeer gemalt wurde. Warum die finnische Künstlerin Bezug auf dieses Ölgemälde nimmt, kann man vielleicht im Galeriegespräch erfahren, das am Samstag, den 10.September 2022 um 15 Uhr stattfindet. Weitere Informationen zum FFF und dessen Programm finden Sie unter folgendem Link: FFF

THEATER AM FREITAG

 

Ein Kriminalbühnenspiel.

Vorhang auf.

Auf der Bühne stehen Regale mit Büchern, eine Glasvitrine und ein Schreibtisch, an dem eine als Antiquarin verkleidete Fälscherin sitzt. Mit Federkiel schreibt sie in ein Buch. Sie wendet die Seite, betrachtet das Titelblatt und das Frontispiz des Buches und schreibt weiter. Die Türglocke des Antiquariats bimmelt. Ein Dieb, verkleidet als Buchliebhaber des gehobenen Bürgertums, betritt die Bühne. Er trägt ein Sakko aus feinem Tuch, darüber einen weiten Mantel mit Diebestaschen im Futter.


Fälscherin (setzt schnell eine große Brille auf, steckt einen Bleistift hinter das Ohr und springt auf): Was kann ich für Sie tun?

Dieb: Ich suche wertvolle signierte Ausgaben.

Fälscherin: Da sind Sie bei mir richtig. (lächelt maliziös) Sehen Sie hier. Eine Liebeswidmung des Autors. Anno 1783. Jüngst reingekommen. (sie hält ihm das Buch von ihrem Schreibtisch entgegen)

Dieb (entziffert laut): Meiner Sonnenblume, meiner Sonne hinter den Wolken [Punkt. Punkt. Punkt.] meiner Elsbeth [Ausrufezeichen] Lebe [Ausrufezeichen] denn sterben würde ich für Dich [Punkt] Dein Held Johann C. von Z. (Dieb blättert um und guckt ungläubig) Der Autor … Johann Christoph von Zabuesnig …

Fälscherin: Ein eher unbekannter Autor, jedoch von Rang. Dies ist ein Buch für … Kenner! (Sie fixiert den Dieb ernst durch die Brillengläser, sehr ernst.) Bitte beachten Sie die intelligente Umsetzung der Elemente des Titelkupfers in die lebendige Sprache der Leidenschaft. (Sie tippt mit dem Zeigefinger auf die Illustration) Man nennt dies sprachliche Rückverwandlung einer gezeichneten Allegorie. (Brillenblick)

Dieb (schaut auf die Sonnenblume der Titelei und nestelt an seiner Knopflochrose): Ihr Kopf hängt.

Fälscherin: Wegen der Rauchwolke vor der Sonne.

Dieb (liest): Ein ritterlich National-Trauerspiel.

Fälscherin: Die Besitzerin und Geliebte muss den Band Tag und Nacht bei sich getragen haben. Schauen Sie hier … (wendet das geschlossene Buch hin und her) Glücklicherweise ist das Äußere nie restauriert worden. Alles Indizien der Liebe: starke Gebrauchsspuren am Einband.

Dieb (spielt in der Diebestasche mit dem versteckten Porzellanhündchen, das er im Antiquitätengeschäft nebenan hat mitgehenlassen und betrachtet den angerissenen Papierbezug): Ja, wenn Sie es so sagen. Eine interessante Ausgabe. (hüstelt und tastet mit seinen Augen gierig die ausgestellten Bücher in der Glasvitrine ab). Haben Sie auch einen signierten Goethe?

Fälscherin: Natürlich! (Scheinwerferlicht auf ein Buch in der Vitrine auf der linken Seite) Und hier ein Shakespeare mit Widmung an die schwarze Dame. (Scheinwerferlicht auf die rechte Seite)

Dieb (nickt anerkennend): Und Schiller? ...

In diesem Moment schnellt die Ladentür auf. Ein Polizist springt auf die Bühne; dahinter die Antiquitätenhändlerin, die auf den Dieb zeigt.


Szenenwechsel.

Fälscherin (schreibt - inspiriert durch die vorhergehende Begegnung - in ein weiteres Buch und liest laut vor): Oh Du meine Geliebte [Ausrufezeichen] Wärest Du doch mein Porzellanhündchen in meiner Diebestasche, wärest Du doch meine Knopflochrose in meinem Diebesmantel [Ausrufezeichen] Rauben, rauben würde ich Dich doch zu gerne [Ausrufezeichen] Immer Dein Räuber Friedrich S.

Vorhang fällt. Vorhang geht auf. Die Fälscherin und der Dieb kommen unter anhaltendem Applaus auf die Bühne gelaufen, halten sich an den Händen, verneigen sich.


Dem kurzen Theaterstück, das natürlich frei erfunden ist, folgt unser Angebot zum Thema Theater, Tragödien, Komödien und Schauspielkunst. Das bereits erwähnte National-Trauerspiel von Johann Christoph von Zabuesnig macht den Anfang der Liste – leider ohne Widmung aber dafür ganz ungefälscht. Und um ein Kriminalfernsehstück, für das der Tresor am Römer in Szene gesetzt worden ist, geht es heute in den Notizen aus Frankfurt.


ZABUESNIG, Johann Christoph von.
Elsbeth, oder der Frauenraub; ein ritterlich National-Trauerspiel in fünf Aufzügen. Augsburg, beim Verfasser, 1783. 8°. Gestochenes Frontispiz, 2 nn. Bl., 106 S. Halbleder der Zeit mit Rückenschildern und Rückenvergoldung, (stärker beschabt, unteres und oberes Kapital mit Fehlstellen, Deckelbezug teils abgeplatzt). €180,00

Angebunden:
TÖRRING-SEEFELD, Klement G.v. Der Theure Ring. Ein Lustspiel in vier Aufzügen. München, Strobl, 1783. 144 S.
ECKARTSHAUSEN, Karl von. Liebrecht und Hörwald, oder: so geht's zuweilen auf dem Lande. Ein Schauspiel in drei Aufzügen bearbeitet nach Shakespear. München, Strobl, 1783. 4 nn. Bl., 104 S.
Sammelband mit drei Stücken bayerischer Bühnendichter. 1) vgl. Goed. V, 362, 41 (Prag 1785); 2) Erste Ausgabe. - Goed. V, 358, 16, 6; 3) vgl. Goed. V, 360, 28, 3 (Ausgabe Grätz). - Das Frontispiz wurde von und nach G(ottlieb) F(riedrich) Riedel gestochen (Thieme/B.28, 316 ff.). - Gering stockfleckig, Name auf fliegendem Vorsatz.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

"Wegen Dreharbeiten geschlossen"  Für unsere Ladenkunden ist der Tresor am Römer auf dem Foto kaum wiederzuerkennen, denn in dem Geschäft sind Dreharbeiten mit zeitweise über 20 Filmteammitarbeitern für ein kriminalistisches Fernsehspiel gemacht worden: Ein Fall für Zwei. Da es sich bei dem aktuellen Toten der ZDF-Serie um einen Archäologen handeln soll - soviel dürfen wir wohl schon verraten - führen die Ermittlungswege auch in ein Antiquariat und Antiquitätengeschäft. Um eben diese Rolle übernehmen zu können, wurde der Tresor am Römer passend umgestaltet. Nach einem Tag der Umbauarbeiten - getätigt durch ein lautloses, zumeist zweiköpfiges Team - fanden wir uns wieder zwischen Kerzenleuchtern, gehalten von grimmigen Greifen, zwischen Vasen, verziert mit hellenistischen und vor allem muskulösen Herren, Visitenkarten mit dem Aufdruck Antiquariat Elke Rühl, ägyptischen Pharaonen, die weise vor einem Bronzeapoll und einer Kopie des berühmten David aus glasiertem Gips lächeln, einem Grammophon, mehreren asiatischen Porzellangefäßen zweifelhaften Alters, robusten Transportkisten aus Übersee sowie massigen Möbelstücken aus dunklem Palisanderholz flankiert von einer Holzstele in barocker Fülle aus der Gründerzeit unter einer mingähnlichen Vase. Ob diese Vase, die Hirschfigur, die afrikanische Maske mit dem runden Umbramund oder doch die extrem verschlungenen Kamasutrafiguren den Fall für Zwei ins Rollen bringen werden, ist für uns noch nicht zu entschlüsseln. Auch die Polizei ist vorgefahren, Beamte sind in den Laden gestürmt und haben so die Braubachstraße in Aufregung versetzt. Wir hoffen, dass das Geschäft im Film keine zwielichtige Hehler- oder sogar Mörderhöhle unterhalten hat und freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass der Tresor am Römer inzwischen wieder geöffnet ist: ohne Hehlerware, ohne Tote, ohne Gips-David.

VORSATZPAPIERE VOR OSTERN


Die Welt der Vorsatzpapiere ist derartig vielfältig, dass wir in unserer Angebotsliste ein Sammelsurium zusammenstellen konnten, das vielerlei Techniken von Buntpapieren vorstellt. Rechts sehen wir eines von besonderer Anziehungskraft in Kamm-Marmor [aus: Voltaire, F.M.A. de. Elémens de la philosophie de Neuton. Amsterdam, J. Desbordes, 1738], ein Tunkpapier, das der Gattung des Türkisch Papier angehört und in Persien sowie der Türkei in der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts in hoher Blüte stand. Künstlerisch hochwertige Papiere dieser Art sind im 17. und 18. Jahrhundert von französischen Buchbindern hergestellt worden. Um den Interessierten die ausgeklügelte Art der Herstellung vorzustellen, folgt hier ein gekürztes Rezept:


Man nehme eine Ochsengalle, möglichst frisch vom Schlachter, und schlitze sie auf. Der Inhalt möge in einem Gefäß mit reinem Alkohol vermischt werden und einen Monat reifen. Sodenn koche man Charragheenmoos und Borax in Wasser
und möge die Brühe filtern. Füge Farben hinzu, aber nimm möglichst keine Erdfarben, diese sind zu schwer und sinken ab. Gib zu den Farben etwas Ochsengalle und die Farbe wird sich ausbreiten. Mit einem Kamm lässt sich vorzüglich ein Muster formen und dann tunke das Papier, das mit Alaunlösung gebeizt ist, vorsichtig und möglichst flach in die Flüssigkeit mit den gekämmten Farben, welche an der Oberfläche des Papieres haften bleiben... für Blüten-Marmor nehme Nadeln, für Pfauen-Marmor empfiehlt sich eine Pipette zu verwenden, für Schneckenmarmor [links aus: Jonston, Joh. Historiae naturalis de Insectis Libri III, de Serpentibus et Draconibus Libri II. Amsterdam, Schipper, 1657] ein Stäbchen ...


Zur Rechten schimmert ein Ornament von Akanthusblättern aus Bronzefirnis, gedruckt auf mehrfarbigem Kleisterpapier. Dieses prächtige Buntpapier wurde für die sogenannte Kurfürstenbibel in Folioformat verwendet, gedruckt 1720, also justament in dem Zeitabschnitt, als der Bronzefirnisdruck in künstlerischer und technischer Blüte stand. Dieses Druckverfahren, so lesen wir es in einschlägiger Fachliteratur, ist mit vielerei Schwierigkeiten konfrontiert. Konsistenz der Bronzefarbe, Viskosität, Temperatur, Stärke des Aufdrucks müssen stimmen, um das Muster sauber wiederzugeben und um auch auf dem biegsamen Flattervorsatz haften zu bleiben. Erstmals ist das Bronzefirnispapier umfänglich ab ungefähr 1695 in Augsburg hergestellt worden.


Zudem haben wir noch ein geblümtes Vorsatzpapier [Morgenstern, Christian. Klein Irmchen. Berlin, Bruno Cassirer, 1921] ausgewählt, das unsere Sehnsucht nach Frühlingsbotanik verrät. Das Muster ist mit Hilfe der eher seltenen Pochoir-Technik (Schablonendruck) ausgeführt worden und verführt nicht nur durch die einfachen schnörkellosen Formen, sondern auch durch die Intensität der aufliegenden Farben, die eine sehr feine Oberflächentextur bilden. Leider ist diese auf unserer Abbildung nicht sichtbar. Dieses Exemplar, so empfehlen wir dringendst, sollte als Original in den Händen liegen, um dessen Reize zu empfangen. Weiterhin bieten wir Bücher mit Vorsatzpapieren in einfacher Kleistertechnik [Christlicher Seelen-Schatz Außerlesener Gebetter. (Bonn, Fabion, 1729)] oder Kleisterpapier in Herrnhuter Manier [Tägliche Andachts-Uebungen, zum Gebrauch Ihro Kaiserlichen Majestät der Königinn zu Hungarn und Böheim. Wien, Trattner, 1769], mit Kattunpapier [Bligh, William. Reise in das Südmeer ..., Wien, Schrämbl, 1793), Moiréepapier und andere Prägepapiere [Nadosy, Alexander von. Equitations-Studien. Wien, Gerold's Sohn, 1855], Steinmarmorpapier [Südöstlicher Bildersaal. Stuttgart, Hallberger, 1840-1841], zahlreiche illustrierte Vorsätze, ein signiertes Vorsatzpapier [Grieshaber, Hap. Herzauge. München, Parabel Verlag, 1969] sowie ein aufwendiges in Paris gebundenes Exemplar mit doppelten Vorsätzen an [Fance, Anatole. La Rôtisserie de la Reine Pédauque. Paris, Simon Kra, 1925]. Weitere von Hand gefertigte Buntpapiere stellen wir in unseren Notizen unterhalb der Angebotsliste vor – diese heute jedoch nicht aus Frankfurt, sondern aus Bamberg, wo eine Buntpapiermacherin lebt – eine der wenigen, die den Beruf noch ausübt.

NOTIZEN AUS BAMBERG

Buntpapierne Lebensfreude & Doppelter Wolkenschlag Die manuelle Herstellung von Buntpapier ist inzwischen eine Rarität geworden. In Bamberg, ebenso eine Stadt des Mains, arbeitet und lebt eine der wenigen Buntpapiermacherinnen Deutschlands. Ulrike Eleonore Grießmayr fertigt Buntpapier in unterschiedlichen Techniken wie Sprenkelpapier, gestrichenes Papier, Abklatschpapier und auch die für uns interessanten Kleisterpapiere nach historischen Vorbildern: gestrichenes Kleisterpapier, geädertes Kleisterpapier, Kleisterpapier nach Herrnhuter Art, Wolkenkleister u.a. Auf der Abbildung unten rechts sind vier Kleisterpapier aus eigenem Sortiment zu sehen. Das Foto oben stellt die Werkstatt mit sichtbaren Druckmodeln aus Holz und Rollen mit Mustern, Farbpigmente, eine Farbrolle und der Werkstatt-Apotheke im Hintergrund vor. Auffällig ist vor allem die Freude, mit der die Kunst- und Handwerkerin ihre Arbeit tätigt und auf uns - auch via Buntpapiere - überträgt. Weitere Informationen über die Herstellung mit historischen und Beispielen aus der eigenen Produktion sowie Kontaktdaten finden Sie hier: Buntpapiere von Ulrike Eleonore Grießmayr Der poetisch klingende Doppelte Wolkenschlag ist übrigens ein Muster, das mit dem Daumen in die Kleisterfarbe drehend gewischt wird und von den Herrnhuter Schwestern besonders wolkig ausgeführt, vermutlich sogar singend erfunden wurde.

AUS LUFTIGEN UND FERNEN HÖHEN AM FREITAG

 

Neben Astronomen, Astronauten, Flugkapitänen und Vögeln erweitern zahlreiche Himmels-, Stern- und Mondgucker in Literatur und Poesie das derzeitige Freitagsthema. Goethes Stella verführt uns bereits durch ihren Namen in erdferne Sphären. Die drei Hauptprotagonisten des Stückes verfolgten die rettende Idee einer Doppelehe, die aus ihrer Liebesmisere herausgeführt hätte. Diese jedoch rüttelte an gesellschaftlichen Moralvorstellungen und konnte sich nach einer Textänderung durch den Autor für Stella nicht erfüllen. Es ward ein Trauerspiel, in dem sie vergeblich ihrer Sehnsucht Ausdruck verleiht und verzweifelt deklariert, sie müsste dem Drang der Liebe nachgeben und aus diesem heraus den Mond herunterziehen. Die natürliche Tochter, ebenso von Goethe verfasst, blickt starr zum Himmel, blickt verwirrt umher und der trübe Sinn des Herzogs erzeugt nur Wolken. Wir ahnen, auch dies ist ein Trauerspiel, in dem sich Lügengespinste um eine uneheliche Tochter bilden. C.F.D. Schubart dichtete für seine Todesgedanken im Frühling 1767 erstaunlich luftig-leicht Seht nun auf ihre Blicke / Dahin, wo mein Glücke / Aus den Wolken lacht. / Dort auf jenem Sterne / wohin ich einst, und lerne ...


In Himmel und Erde des Romantikers Lord Byron begegnen wir dem verbotenen Flug der beiden Erzengel mit zwei Menschentöchtern in den Weltraum, um sie vor dem Strafgericht zu bewahren. Im geistlichen Morgenlied, das von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau 1717 dargeboten wurde, wird der Schöpfer direkt angesungen, um mit Geistes Schwingen die Wolken durchzubringen. So kann ich Adler sein. Euphorion hingegen möchte im zweiten Teil von Faust fliegen Gönnt mir den Flug!, stürzt aber in die Tiefe. Und in Shakespeares Sommernachtstraum gibt es besonders zahlreiche Flugbewegungen. So tanzen die Elfen Bohnenblüte, Spinnweb, Motte, Senfsamen sowie der Elfe Droll durch des Zauberwalds Lüfte, ein Aktör der Handwerkstruppe spielt den Mondschein, Fledermäuse werden gejagt und die Elfenkönigin Titania verliebt sich nach einem Zauber in Zettel, der justament ein Vogelliedchen trällert. Zu dieser gewitzten Wald-Luft-Komödie passen auch die 48 Tafeln mit lithographierten Papageien von Charles de Souancé. Jeder einzelne dieser kolorierten Vögel leuchtet und schillert, als wäre er von William Shakespeare erfunden worden. Selbst die mitteleuropäischen Fiedergenossen, links und rechts vom Text, posieren in besonders stolzer Vogelhaltung für unser luftiges Angebotssammelsurium.

In den Notizen aus Frankfurt, die sich dem Angebot thematisch anschließen, beschreiben wir unseren Frankfurter Ausflug, der bis in den Himmel führte.

 

 

NOTIZEN AUS FRANKFURT

In den Himmel und zurück Um heute am Freitag passend zu unserem Thema die Vogelperspektive einzunehmen, laufen wir kurzentschlossen und energiegeladen zum unweit gelegenen Kaiserdom St.Bartholomäus. Der Domturm sei erst seit Februar wieder geöffnet, informiert uns die Domturmkassiererin und inspiziert unsere Impfausweise. Wie hoch der Domturm sei, fragen wir. Bis zur Spitze 95 Meter und 328 Treppenstufen seien zu bewältigen, antwortet sie. Wir mustern unsere für eine Domturmbesteigung eigentlich ungeeigneten hochhackigen Schuhe und beginnen trotz der Widrigkeiten den Aufstieg. Auf der engen Turmtreppe begegnen wir zuerst zwei Asiaten, die uns Mut zusprechen, danach einer vielköpfigen amerikanischen Familie, an der wir uns in einem noch engeren Treppenabschnitt vorbeiquetschen. Zuletzt lernen wir - bereits etwas kurzatmig - einen der Restauratoren kennen, der gerade hungrig in Richtung Mittagstisch absteigt. Auf dem Rundgang der Ausblicksplattform pressen wir uns mit dem Rücken an die Turmwand, an der eingeritzte Namen und Jahreszahlen zu lesen sind. Das Datum 3.5.1945, also kurz vor der Kapitulation der deutschen Wehrmacht, betrachten wir heute sicherlich nachdrücklicher, als wir es vor über drei Wochen getan hätten. Hoffnungsfroh verweilen wir noch einen Moment mit Blick in die Ferne und machen ein Foto mit leicht zittrigen Knien, auf dem Ortskundige östlich von der Paulskirche auch das Dach des Gebäudes erkennen, in dem sich der Tresor am Römer befindet. Der Kupferstich nach Salomon Kleiner von 1747 zeigt die Domlaterne in einem eigentlich unvollendetem Zustand. Doch nach dem Dombrand 1867 - ausgelöst durch eine Kerze und zwei angeheiterte Bewohnerinnen des 3.Stockwerks in der Fahrgasse 21- wurde sie endlich nach den mittelalterlichen Plänen von Madern Gerthener errichtet und präsentiert sich auch heute noch in dieser Form. Abschließend möchten wir noch berichten, dass der Aufstieg zum Himmel nicht so anstrengend ist wie der Abstieg. Frauen wissen warum, denn die sind dem Himmel sowieso näher - auch wegen der hohen Schuhabsätze.

MESSEVERGNÜGEN AM FREITAG

 

Die unnachahmliche Atmosphäre der Antiquariatsmesse wird uns auch dieses Jahr fehlen. Kein Papierrascheln, keine Gespräche, kein Spurt bei Messeeröffnung zum begehrten Sammelobjekt, kein Blickkontakt mit dem Antiquar, kein Händedruck zum Abschluss eines Geschäfts, kein lauwarmes Würstchen im Messebistro, kein gemeinsames Anstoßen, keine Berührungen zwischen Menschen und Büchern, kein Klatsch, keine Neuigkeiten, keine schmerzenden Messebeine, kein Lachen, kein stetes Gesprächsgemurmel in den Räumen des Kunstvereins. So bleibt uns heute das Vergnügen das Messegefühl zu simulieren, indem wir mit Worten rascheln und mit Abbildungen das Gemüt berühren. Vielleicht verweilt unser Blick derzeitig umso bedürftiger auf den warmtonigen Photographien, die uns die Amalfiküste und den qualmenden Vesuv hinter einer Pinie besonders stimmungsvoll darbieten. Oder wir fixieren noch intensiver die eigentlich unansehnlichen aber lebensverkündenden Larven und Raupen, die ihre Metamorphose schließlich als farbschillernde Schmetterlinge feiern. Möglicherweise verfängt sich unser suchender Blick zudem in dem bizarren Stillleben menschlicher Organe und Blutgefäße, flankiert von possierlichen Skeletten, die die Opera Omnia des niederländischen Anatoms und Botanikers Frederik Ruysch illustrieren.

Auch wäre ein Zwiegespräch mit den beiden Fledermäusen möglich, die original gouachiert als geschützte Tiere durch das Messeangebot flattern, und übermütig könnte man das freche Grinsen der beiden erwidern – es sieht uns ja doch niemand hinter unserem Computer. Sehnsüchtig wird sicherlich ebenso das ägyptische Kamel im Oriental Album bestaunt werden, das uns an ferne Reisen erinnert.


Wie wir uns heute Morgen einen Zipfel Messegefühl erhascht haben, beschreiben wir in den Notizen aus Frankfurt, die nach dem Messeangebot folgen. Es kann sogar sein, dass der eine oder andere Leser Appetit bekommt.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Messewürstchenersatz & Elton-John-Sammlung Vor Messebeginn haben wir uns in die Warteschlange vor dem Stand der Frau Schreiber in der Kleinmarkthalle - unweit der Braubachstraße - eingereiht, ein Rindswürstchen erstanden und schließlich verzehrt. Mit Hilfe des Würstchengeschmacks und des Würstchengeruchs im Treiben der Marktbesucher hat uns die Antiquariatsmesse atmosphärisch gestreift. Während wir kauten und unsere Mäntel mit Senf bekleckerten, konnten wir uns zudem über ein Gedicht von Friedrich Stoltze amüsieren, das am Würstchenstand in einem Rahmen auszugsweise präsentiert wird. Un de Ratsherrn un die Richter, / Un die Maler und die Dichter, / Komponiste, Schornaliste, / Apedheker un Drogiste, / Un Student un Komedjant / Frißt sei Wörschtsche aus der Hand. Und tatsächlich haben wir in der Warteschlange Menschen aller Arten und Schichten entdeckt. Frau Schreiber, eine regionale Berühmtheit von über 80 Jahren, wird auch liebevoll Wurst-Ilse von den Frankfurtern genannt. Sie bietet Fleischwurst mit und ohne Knoblauch an, Rindswurst, Gelbwurst und Krakauer. Kundenwünsche erfragt sie im Frankfurter Dialekt, Japaner - die in diesen Zeiten jedoch eher selten anreisen - spricht sie auf Englisch an. Mit gut gefüllten Mägen und Frankfurter Singsang im Ohr sind wir wieder in den Tresor am Römer gelaufen, um nun angeregt auf das letzte Gespräch der Veranstaltungsreihe Das rote Sofa hinzuweisen. Am 21.Februar 2022 um 19 Uhr wird Sibylle Wieduwilt die Verleihung des Preises für junge Sammler moderieren. Preisträgerin ist eine Studentin, die ihre Elton-John-Sammlung (in Selbstdarstellung und Rezeption aus den Jahren 1970-72) mit gut überlegter Beharrlichkeit und Begeisterung zusammengetragen hat. Noch drei weitere Gäste werden im darauffolgenden Gespräch über das Thema Sammeln online diskutieren. Sollten Sie sich für das Thema interessieren, können Sie sich kostenlos als Zuschauer unter folgendem Link registrieren: Preisverleihung. Um 12 Uhr heute Mittag wird endlich die Antiquariatsmesse Stuttgart eröffnet, die man unter diesem Link besuchen kann: Antiquariatsmesse Stuttgart. De Vorhang uff! Bravo! Bravo! Bravo!

EXPRESSIONISTEN UND ZEITGENOSSEN

 

Anlässlich des expressionistischen Freitags möchten wir die Möglichkeit nutzen, einzelne Dichter zu Wort kommen zu lassen, damit wir ihre Lyrik besser verstehen. Natürlich handelt es sich um ein fiktives Gespräch, das im Bereich der Literatur erlaubt sein möge. Die Antworten sind ordentlich wiedergegebene Gedichtzitate aus den hier angebotenen Büchern.

Fragende Stimme:
Die Sonne taucht in der expressionistischen Lyrik immer wieder auf. In Umbra Vitae, den nachgelassenen Gedichten Georg Heyms, tost sie bereits 1912 ekstatisch. Alfred Lichtenstein hielt die rote Häusersonne nicht mehr aus. Anders bei Kurt Bock. Dessen erste Sonne ruft unruhvolles Leid tagtäglich im Wanderer wach. Bereits diese drei Beispiele zeigen ungewöhnliche Ausdrucksfähigkeiten. Noch drastischer, beinahe hoffnungslos und mitunter mit sezierendem Blick beschreibt der Arzt Gottfried Benn die Welt. Dessen Ikarus endet im Sturz der Sonnen-sonnen, o aller Sonnen ewiges Gefälle. Sie, Walter Rheiner, sind mit 19 Jahren gegen ihren Willen im Ersten Weltkrieg an die russische Front geordert worden. Sie wurden abhängig von Rauschgift und lebten in Berlin in Armut. 1918, dem Jahr zahlreicher Veröffentlichungen ihrer Gedichte, erscheint auch in der Reihe des Neuesten Gedicht ihre Insel der Seligen, in der die Sonne ...


Walter Rheiner (schaut durch seine Brille nach oben, etwas zittrig deklamierend):
Elektrisch lodert sie auf den Dächern, auf Haaren (magisch-wirr) der schwarzen Fee


Fragende Stimme (entzückt und empathisch):

Und auch das Geflüster naher Sterne vernahmen Sie. Ganz anders hat Herr Benn das Sternenfirmament gesehen …


Gottfried Benn (großer Kopf, Mundwinkel nach unten, beinahe misslaunisch aber bestimmt zornig ausrufend):
Finale! Huren! Grünspan der Gestirne!


Fragende Stimme (begeistert, wendet sich Else Lasker-Schüler zu, die bei den Worten Benns zusammengezuckt ist):
Else Lasker-Schüler, was meinen Sie?


Else Lasker-Schüler (mit einem glimmenden und einem verträumten Auge):
Sieh meine Farben,
Schwarz und stern.

Alfred Lichtenstein (ein junger Mann mit großen, fragenden Augen verneigt sich vor der Dichterin und trägt aus seinem Gedicht Mädchen vor):
Sie halten den Abend der Stuben nicht aus.
Sie schleichen in tiefe Sternstraßen hinaus.

Wie weich ist die Welt im Laternenwind!
Wie seltsam summend das Leben zerrinnt …


Und nochmals Else Lasker-Schüler (eine Träne im träumenden Auge):

Ich saß im Sternenmantel.


Fragende Stimme (bewegt und brüchig):

Herr Heym,
Sie möchten etwas sagen?


Georg Heym (erst 25 Jahre jung, mit einem Wollschal und einem Paar Schlittschuhe über der Schulter):
Sie wandern durch die Nacht der Städte hin,
Die schwarz sich ducken unter ihrem Fuß.
Wie Schifferbärte stehen um ihr Kinn
Die Wolken schwarz vom Rauch und Kohlenruß.


Klabund (elegant, schlank,
jung, hoher gestärkter Hemdkragen):
Der zinnoberblaue Schutzmann zerschmettert den Maßkrug aller Maßlosigkeiten
An der Siegessäule die sauberen Ladenmädchen
Gelächter Zackenbauch
Wandeln die Litfaßsäulen
Im Sternenzelt.


Fragende Stimme
(schweigt vorerst nachsinnend und fährt schließlich fort):
Darf ich um ein Schlusswort bitten?


August Stramm (springt nach vorne und ruft):

Äste würgen


Fragende Stimme (nun nicht mehr fragend, sondern jubilierend):

Großartig, aus der
Menscheitsdämmerung!

Nun gilt es den expressionistischen Schwung zu nutzen, um auf die Angebotsliste hinzuweisen, der die Notizen aus der Antiquariatswelt folgen, in denen gleich zwei Sofas vorgestellt werden.

NOTIZEN AUS DER ANTIQUARIATSWELT

ersehnt & begehrt In jedem Sammler steckt auch ein Jäger. Sammler handeln zielgerichtet und schnell, listig und in Härtefällen mitunter rücksichtslos, ihre Kondition ist stets trainiert, ihr Witterungsvermögen bestens ausgebildet, Informationen aus ihrem Revier - und erscheinen sie noch so unwichtig - werden von den Sammlern geradezu aufgesogen, das Sammlergedächtnis funktioniert fehlerfrei, Sammler scheuen keinerlei Mühen, um ihr nächstes Sammelobjekt zu ergattern und wenn sie reüssieren, durchfährt ein Empfinden wilder Freude ihren Körper. Mehr zu dieser schillernden Menschengattung werden wir im Rahmenprogramm der Antiquariatsmesse Stuttgart erfahren. Die Veranstaltungsreihe "Das rote Sofa" wird die Messe zu dem Thema "Sammeln - Eine Leidenschaft" mit drei Gesprächen begleiten. Detaillierte Informationen erhalten Sie bei Betätigung des Links: Das rote Sofa. Die Antiquariatsmesse wird vom 18.-22.2. wieder virtuell stattfinden. Zudem erscheint ein Katalog, der sowohl in gedruckter Form erscheinen als auch ab Ende Januar als Online-Version unter folgendem Link abrufbar sein wird: Antiquariatsmesse Stuttgart. Sodenn möchten wir bescheiden auf ein Gespräch mit dem Titel Freitagsseite, Verband, Nachwuchs im Antiquariat hinweisen, das Björn Biester, der Herausgeber der Zeitschrift Aus dem Antiquariat, mit Sibylle Wieduwilt geführt hat. Das unten abgebildete Antiquariatssofa des Tresor am Römer verleitete die Inhaberin zu resümierenden Nachrichten des letzten Jahres aus der kleinen und großen Antiquariatswelt.

FREITAGSALLERLEI

 

Die Angebotsliste vor den weihnachtlichen Festtagen ist wie im letzten Jahr streng thematisch gemischt. Zunächst möchten wir - mit der Überlegung das Traditionsessen von Würstchen mit Kartoffelsalat zu erweitern - den Weihnachtsspeisezettel aus dem Kochbüchlein für die Puppenküche empfehlen. Der Weihnachtsabend wird hier mit Schokoladensuppe, Eierkuchen und Äpfeln, Auflauf mit eingemachtem Obst oder Zucker und Zimt als auch mit Gemüse von Rosinen kulinarisch gefeiert. Danach werden gebackene Äpfelschnitze, geröstete Mandeln, Zitronenbrötchen und Kleienküchlein gereicht. Die Rezepte sind kinderleicht auszuführen und wir können sie mit gutem Gewissen auch Kochlaien empfehlen.


Der Puppenküchenpunsch hat den Vorteil, dass er den ganzen Tag getrunken werden kann, besteht er doch aus einem Mätzchen schwachen Tees, Zucker und Zitronensaft. Am ersten Weihnachtstag werden u.a. goldene Schnitten mit Högenmark oder Weinsoße aufgetragen - gefolgt von Kirchweihküchlein. Wer es etwas deftiger mag, kann sich auf den dritten Weihnachtsfeiertag freuen, an dem gebackene Fleischklöße mit dem
vielgeliebten Kartoffelsalat aufgetischt werden. Weihnachtsbraten gibt es in der Puppenküche noch nicht, jedoch könnte das Hirschhörnchen eine vegetarische Alternative mit viel Zucker sein.

Gänzlich ohne Zucker, mit einfachen Formen und flächigen Farben, rhythmisch und balancierend, mit überlagerten Linien in Kaltnadelradierschwarz entfaltet Sonia Delaunay ihre künstlerischen Kräfte neben Versen von Tristan Tzara. Diese eindrucksvolle Künstlermappe mit acht ganzseitigen Farbradierungen zu elf Gedichten ist im Jahr 1961 in Paris entstanden. Tristan Tzara, der zusammen mit Hans Arp und Hugo Ball die Dada-Bewegung gegründet hat und später zu den Pariser Surrealisten Kontakt aufnahm, hat mit der vielseitigen Wahlfranzösin Sonia Delaunay bereits seit den frühen 20er Jahren eigensinnige Kunstwerke wie die Robes Poèmes, Gedichtkleider, geschaffen. Hierbei wurden Wörter und Verse des Dichters in Kleider eingewebt und wanderten somit über den Körper entlang. Die Radierungen für die vorliegende Mappe Juste présent zeugen von eindrucksvoller Form- und Farbsicherheit der Künstlerin, die ihr Leben lang mit Simultankontrasten experimentiert hat. Dissonanz und Harmonie werden auch hier spielerisch entfacht, besonders überzeugend im Original, nummeriert als auch signiert und heute in außergewöhnlicher Schönheit im Tresor am Römer präsentiert. In den Notizen aus Frankfurt am Ende der Angebotsliste stimmen wir heute passend zum vierten Advent ein fröhliches F an.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Frohlockende Flora im Festtagsfenster Während die Floristin Frau Escanecrabe uns die zum Verkauf stehenden Blumen vorstellt, bindet sie gemeinsam mit ihrer Mitarbeiterin unermüdlich kleine Weihnachtssträuße. 850 Stück müssen heute am Freitag frisch gebunden geliefert werden. Bei Blumen am Dom, ein Familienbetrieb mit inzwischen zwei Filialen hier in der Braubachstraße, kaufen auch wir regelmäßig Antiquariatspflanzen, die zur Weihnachtszeit im Schaufenster um die Gunst der Vorbeischlendernden buhlen. Der Weihnachtsstern oder die Euphorbia pulcherrima, deren Name ihre Schönheit bestätigt, kann ihrerseits das Straßengeschehen wahrnehmen, das derzeitig auch von dem unweit stattfindenden Weihnachtsmarkt bestimmt wird. So fühlt sie sich betrachtet von Punschtrinkenden, Wurstessenden, Geschenksuchenden, Bummelnden, Verträumten, Lächelnden, Anwohnern, Blumenliebhabern, Museumsbesuchern, Auf-die-Tram-Wartenden, von dem italienischen Briefträger, von Frau Escanecrabe, Frau Wieduwilt und Frau Seuss, dem Rahmenmacher, Buchliebhabern, Buchkäufern und dem langbeinigen Donatus vom Rühlskopf, dem Deutsch Drahthaar von gegenüber. Für unsere auswärtigen Kunden haben wir ein Foto von einem der beiden Weihnachtsfenster mit zwei unserer Antiquariatsweihnachtssterne aufgenommen - farblich und inhaltlich abgestimmt mit dem Rot der Weihnachtsapfelketten und dem hellblau kolorierten Himmel des Kupferstiches vom heiteren Wintertreiben auf dem Frankfurter Liebfrauenberg.

ASIEN UND DER PAZIFIK AM FREITAG

 
Es gab Zeiten, in denen man Bücher über Trachten, Sitten und Bräuche derart aufwendig gestaltet hat, als würden sie auf einem rauschenden Fest der Ästhetik präsentiert werden. Das vierbändige Werk Moeurs, usages et costumes de tous les peuples du monde ... von Auguste Wahlen gehört zu diesen Büchern. William Foyle, einer der "führenden Buchhändler des 20.Jahrhunderts in London", ließ sich verzaubern von den Farben und Materialien der in Brüssel erschienenen Ausgabe und klebte - vermutlich in seiner Privatbibliothek in Beeleigh Abbey - ein elegantes, weinrotes Ex-Libris-Schildchen mit goldener Schrift animo et fide auf das marmorierte Vorsatzpapier aller vier erworbenen Bände. Diese gehörten hiermit fortan in eine der berühmtesten und wertvollsten Privatbibliotheken, die im Jahre 2000 bei Christie's unter Beobachtung von Buchkennern und Sammlern aus aller Welt versteigert wurde. Heute bietet der Tresor am Römer genau diese Exemplare der ersten Ausgabe in prächtiger Ausstattung an. Der Autor, Auguste Wahlen, hat seine Texte und Zahlen nach authentischen Dokumenten und jüngsten Reiseberichten zusammengestellt, so dass in den Jahren 1843-44 Trachten und Gebräuche der Völker aus Asien, Ozeanien, Afrika-Amerika und Europa die Augen der Leser entzücken und den Verstand ebendieser erhellen konnten.

Dieses Werk wurde splendid mit 4 kolorierten Titelvignetten und 211 Holzstichtafeln versehen, und zwar von Hand mit leuchtenden Farben und mit äußerster Sorgfalt koloriert. Damit die Leser einen Eindruck von den Illustrationen bekommen, haben wir ein reizvoll befedertes Mädchen der Insel Madison, eine rauchende Dame der Insel Guham sowie den furchteinflößenden und tätowierten Krieger von Noukahiwa gebeten, für den Text zu posieren. Allerdings müssen wir eingestehen, dass die Farbkraft der Originale nicht adäquat wiedergegeben werden konnte. Der imposante Herr von Noukahiwa, der sich heute extra mit einem Kopfschmuck aus Walfischenzähnen bedeckt hat, demonstriert uns hier frank und frei seine Wurfnuss, die er mit Genauigkeit und erstaunlicher Flugweite einzusetzen versteht. Eigenheiten und Geheimnisse der beiden Ozeanierinnen möchte der Eingeborene an dieser Stelle allerdings nicht verraten, denn diese mögen vorerst zwischen den vergoldeten, mit Steh- als auch Innenkantenvergoldung verzierten und mit Leder überzogenen Buchdeckeln für den zukünftigen Besitzer verwahrt bleiben. Er lächelt, spielt an seiner Muschelkette und schaukelt mit seinem Wurfgeschoss. Wie könnten wir seinem Wunsch nicht entsprechen? 

Einen Blick auf die anderen angebotenen, mitunter sehr interessanten Bücher begrüßt er und verweist mit Nachdruck auf die Notizen aus Frankfurt, in denen es merkwürdige Dinge zu lesen gebe. Nun jedoch möchte er sich mit der Frau von Guham zurückziehen, um ein Pfeifchen zu rauchen und einen Kawa zu trinken - ein rein pflanzliches Getränk, das angenehm berauschend wirken kann.

NOTIZEN AUS FRANKFURT


Känguruleder &
Squashy Foldable Hats "Und was sind squashy foldable hats?", fragen wir den Besitzer des Australien Shops, als er uns sein Sortiment vorstellt. Kaum haben wir die Frage gestellt, hat Herr Horn auch schon den Lederhut klein geknautscht und in einen Stoffbeutel gehüllt. Diese Falttechnik sei nicht nur für das Reisen, sondern auch für das alltägliche und nicht nur das australische Leben geeignet. Den Knautschhut gibt es in Känguru- und Rindsleder. Ersteres ist etwas dünner als zweiteres, weich und strapazierfähig und eignet sich deswegen auch gut für die Boots von R.M.Williams, die Ernst-Albrecht Horn zusammen mit seiner Frau Frauke seit Ende 2004 in der Berliner Straße 33 - nur ein Kängurusprung von hier - anbietet. Sodenn gibt es australisches Bier, Wein, Didgeridoos, Wachsmäntel, Gürtel, Süßigkeiten und andere Lebensmittel. Und was könnte in dem Gefrierschrank, der auf dem unteren Foto zu sehen ist, liegen? "Kängurusteak!" Es habe wenig Fett und sei geschmacklich zwischen Wild- und Rindsfleisch einzuordnen. Krokodilsfleisch sei momentan nicht im Angebot. In diesen gesundheitlich unsicheren Zeiten möchten wir noch auf den berühmt-berüchtigten Brotaufstrich Vegemite hinweisen. Australier schwärmen mitunter für ihn und wollen auch im Ausland nicht auf ihren Aufstrich, proudly made in Australia since 1923, verzichten. Er enthält besonders viel Vitamin B for Vitality und der Geschmack ist ... australisch.

DER EINGEBUNDENE FREITAG


Erlesene Einbände verführen zum Anfassen, Streicheln, auch zum Horchen und zum Liebäugeln. Die Hand des einen Kunden streicht zart über die glatte Kalbslederoberfläche der Sonette an Orpheus von Rainer Maria Rilke, die des anderen erkundet tastend die unregelmäßige Oberflächenstruktur des Maroquinleders der Florentiner Ausgabe von Das Nordlicht des Autors Theodor Däubler. Schließen werden auf- und zugemacht. Klick, klack. Die Fingerspitzen des Zeige- und Mittelfingers fahren über die ziselierten Eckbeschläge, die Prägungen, den Perlmuttbesatz und den roten Zierstein aus Glas. Gleich beide Daumen gehen eine Streichelbeziehung mit dem ovalen Relief aus Schildpatt ein und, um den köstlichen Schimmer der Muster des gepunzten Goldschnittes zu genießen, wird das Andachtsbuch im Licht hin- und herbewegt.


Wohlig warme Töne wandern wiederholt durch den Tresor am Römer. Wie zur Prüfung lässt der Sammler den ersten der drei jeweils 700 Seiten starken Bände sanft auf die anderen beiden fallen. Er, der Sammelnde, lächelt. Der Wohlklang entsteht durch die von Hübel und Denck in samtiges Maroquinleder eingebundenen Werke des Miguel de Cervantes. Der Sachsenspiegel in 460 Jahre altem Schweinsleder auf Holzdeckeln klingt eben anders.

Kreisrunde, nachtblaue Intarsien, begleitet von ockerfarbigen millimeterkleinen Rauten passgenau eingebettet in ein dunkles Indigo umschmeicheln das Auge. Nicht nur die technische Präzision, mit der der Meistereinband des Franzosen Louis Gilbert gefertigt ist, überzeugt die Sinne, sondern auch die ästhetische Sicherheit und der gestalterische Mut führen den Leser glücklich über zwei Vorsatzpaare aus kobaltblauem Seidenmoiré, königlich edel, und aus handgeschöpftem Marmorpapier, poetisch verführend, hinein in die Rôtisserie de la Reine Pédauque von Anatole France.


Und was könnte diese reich bordürte, querformatige Kassette bergen? Unter Glas ein Kupferstich mit einer Landschaft, beruhigt durch Baumesgrün, belebt durch einen Fluss, in der drei Damen in griechischen Gewändern, als wären sie die drei Grazien, ein Blumengebinde gemeinsam betrachten. Glanzpapier in hellem Kadmiumrot ist gesäumt von goldenen Bordüren und leuchtet kräftig, anstatt einen Titel preiszugeben. Letztendlich verraten uns  die zahlreichen Indizien, dass es sich um ein Album Amicorum mit Freundschaftsblättern handelt, darunter auch 14 gestochene und kolorierte Freundschaftsgaben. Weitere Liebhaberobjekte präsentieren sich in der folgenden Angebotsliste, und in den anschließenden Notizen aus Frankfurt widmen wir uns einer schmückenden Bedeckung für das menschliche Haupt.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Mit Buch und Hut in den Herbst So wie der Einband das Buch schützt und schmückt, so tut es der Hut auf dem Kopf des Menschen. Glücklicherweise gibt es unweit des Tresor am Römer den Hutsalon Coy, der sich seit der Rekonstruktion der neuen Altstadt am Markt 38 befindet. Dort werden vor allem selbstmodellierte Hüte angeboten, die auch von der Ladeninhaberin und Modistin Cornelia Plotzki hergestellt werden. Für das Foto zeigt uns die frohgemute Hutverkäuferin Valentina zwei rote Filzstumpen, die später über ein handgeschnitztes Holzmodell gelegt und dann von Hand und mit Hilfe von Wasserdampf geformt werden. Sollte der Kundin die Form des Glockenhutes zusagen, nicht jedoch die tannengrüne Filzfarbe, so fertigt die Modistin die Cloche auch in einem strahlenden Ahornblätterrot. Und sollte die Form des kecken Glockenhutes nicht gefallen, mögen sodenn der lässige Schlapphut, der jugendlich wirkende Aufschlaghut oder die krempenlose Wollfilzkappe als Kopfbedeckung dienen. Von dem Hutformenreichtum begeistert, können wir schließlich feststellen, dass es für jeden Kopf einen passenden Hut wie auch ein passendes Buch gibt.    

DER MEHRBÄNDIGE FREITAG


Jede Gesamtausgabe muss zahlreiche Fragen beantworten können: Bist Du eine kritische Werkausgabe? [wie die hier angebotenen Sämmtliche Schriften von G.E.Lessing, 1853-57], Oder bist Du eine neue vermehrte Ausgabe? [wie Sämmtliche Schriften von F.W.Gleim aus dem Jahre 1770], Bist Du auch die einzig rechtmäßige Original-Ausgabe? [wie die Werke von Johann Winkelmann, 1847], Du bist doch wohl die wichtige erste Werkausgabe! [wie die unten folgende Hölderlin-Ausgabe von 1846], Bist Du vielleicht ein seltener unrechtmäßiger Nachdruck? [wie Der Kinderfreund von 1818].

Und weiter: Bist Du die erste Ausgabe dieser Zusammenstellung? [siehe auch die angebotenen Goethes Gespräche in 10 Bänden, herausgegeben von Woldemar Freiherr von Biedermann, 1889-1896], Ist die deutsche Gesamtausgabe auch einheitlich übersetzt? [die deutsche Gesamtausgabe von August Strindberg ist einheitlich verdeutscht von Emil Schering, nicht aber die Sämtliche(n) Werke von Henrik Ibsen, die jedoch auch von dem jungen Dichter Christian Morgenstern übertragen sind, und der mit seiner Übersetzung eine Original-Dichtung geschaffen hat und deshalb zu empfehlen ist], Verfügst Du über einen Index? [so wie die Chronique de 1831 à 1862, die Lebenserinnerungen der Duchesse de Dino], Bist du eine historisch kritische Ausgabe? [so nämlich die von Richard Maria Werner besorgten Sämmtliche Werke des Autors Friedrich Hebbel]. Verfügst Du über bisher ungedrucktes Material? [eindeutig bejahend zu beantworten für die von Waldemar Oehlke herausgegebenen Sämtliche Werke von Bettina von Arnim]. Und dies sind nur die inhaltlich zu beachtenden Fragen. Desweiteren gibt es ästhetische Anforderungen:

Du beinhaltest doch wohl ein Porträt des Autors?, Sind Deine Einbände dekorativ?, Sind Deine Bände einheitlich gebunden? [wie zahlreiche Exemplare der heutigen Angebotsliste], Verfügst Du vielleicht sogar über Illustrationen? [die Oeuvres complètes illustrées von Anatole France, 1925, reich illustriert von verschiedenen Illustratoren], Die typographische Gestaltung hat der Autor wohl auch gebilligt? [wie Rainer Maria Rilke seine sechsbändige Ausgabe im Insel Verlag], Die Typographie ist gut lesbar, in einem kräftigen Schwarz gedruckt und auch das Papier von guter Qualität? [die Musarionausgabe von Friedrich Nietzsche liest sich köstlich auf holzfreiem Papier], Bist Du in einem guten Zustand? [Ja!].

In den anschließenden Notizen aus Frankfurt schildern wir Eindrücke von Kunden des Tresor am Römer über das jüngst eröffnete Romantik Museum. Angemerkt sei nur noch, dass Der mehrbändige Freitag von einer mehrköpfigen Tierschar aus Oeuvres complètes illustrées von Anatole France begleitet wird.

mehrköpfige Tierschar

NOTIZEN AUS FRANKFURT

 

 

 

Romantik Museum hinter mehrteiliger Fassade Zitronengelb wie der Buchschnitt der oben angebotenen Gesammelte Werke von Joseph von Eichendorff erstrahlt ein Teil der Fassade des neu eröffneten Romantik Museums. Kunden des Tresor am Römer berichten uns bereits begeistert von zarten Handschriften, die tatsächlich im Original gezeigt werden.

 

                                                                                 Ebenso wird von einer Himmelstreppe berichtet, deren Aufstieg unendlich erscheinen soll und den Besucher doch eher als vermutet ankommen lässt, wenn nicht im Himmel so doch im 3.Stockwerk. Beim Abstieg, erzählt eine Kundin schaudernd, näherte sie sich sodenn schneller als erwartet der imaginären Gegenwelt des Himmels, nämlich der Hölle, die aufgrund des Dante-Jahres unsere Vorstellungen begleitet. Doch im Erdgeschoss, beruhigt uns wiederum die Hinabgestiegene, versicherte ihr eine Männerstimme in einer dunklen Ecke, dass hinter der alten Brandmauer nicht das Inferno wüte, sondern das nach dem Krieg wiederaufgebaute Elternhaus des Autors Johann Wolfgang von Goethe stehe. Dort verkehre zwar bekanntlich Mephistopheles, aber dieser hätte schließlich zum göttlichen Geschehen einen direkten Draht. Wer der Dunkelmann in der Ecke war, haben wir zwar nicht erfahren, jedoch geistert eine Ahnung durch unsere Phantasievorstellung.

DAS 19.JAHRHUNDERT AM FREITAG

 

Noch nicht jodelnd, aber tanzend und tändelnd wird unser abwechslungsreiches Angebot des 19.Jahrhunderts eingeleitet. Der Tanz beginnt in einem heiteren Allegro giocoso, dessen Tempo sich gefühlsbetont zu verlangsamen vermag. Carl Daub und Friedrich Creuzer führen den Reigen durch die Studien, eine der wichtigsten Zeitschriften der Romantik. Unter dem Pseudonym "Tian" schließt sich hier Karoline von Günderode mit ihren Theaterfiguren dem Groß-Wezier Mangu, Sino und dem Derwisch Udohla ebenso an wie Nerissa aus dem Harem des Sultans. In Tausend und eine Nacht, herausgegeben von August Lewald, verlieren wir uns dank der 2000 Holzstiche in orientalische Welten und in die zum ersten Mal vollständig und treu übersetzten Erzählungen. Aus dem Orient gelangen wir in die Berge. In der alpenschwärmerischen und vor allem seltenen Sammlung auserlesener Gebirgslieder sind nicht nur Blumenranken zart lithographiert, sondern auch Bauernburschen, Jäger und Liebespaare in wieder liebgewonnenen Trachten. Hier empfielt es sich noch etwas um sich selbst zu drehen, bevor aus dem Scherzando ein drängendes Stringendo wird.

Die Pressefreiheit wird nicht nur von J.P.L. Snell in einer Veröffentlichung im Jahre 1829 gefordert. Mit kratzender und sarkastischer Feder kritisiert Heinrich Heine in seiner Veröffentlichung Neue Gedichte - hier angeboten in der zweiten, im Jahr der Erstauflage erschienenen Ausgabe - die deutschen Zustände. Die 1833 in Frankfurt eingeweihte Paulskirche wird 1848/49 Ort des Vorparlaments und der Nationalversammlung. Adolph Streckfuss hat Die Staats-Umwälzungen der Jahre 1847 und 1848 umgehend niedergeschrieben und veröffentlicht. Der chronologisch angeordneten Auflistung folgen noch die damals verbotenen und in einer weiteren Auflage erschienenen Zeitgedichte als Ein Glaubensbekenntniß von Ferdinand Freiligrath, doch dann reitet schon Iwan auf dem grauen Wolf neben der Prinzessin über den Einband des Märchenbandes von Wassiliy A. Joukowsky ein, gefolgt von weiteren Märchen von Gisela von Arnim. Zahlreiche Lithographien zeigen uns sodenn Die Oberlausitz als besondere Abtheilung von Sachsens Kirchen-Galerie, Holzstichtafeln Walrösser aus Der hohe Norden von Georg Hartwig, ein Stahlstich im Handatlas in Foliumgröße von Adolf Stiehler den Kontinent Australien, Originalphotographien lichten das Souvenir de Constantinople ab und der dunkelgrüne Leineneinband in Kalikogewebe präsentiert mit goldener Prägung Die österreichisch-ungarische Nordpol-Expedition in den Jahren 1872-1874.

Unser 19.Jahrhundert endet mit der dreibändigen Ausgabe Encyklopädisches Handbuch des gesamten Turnwesens, in dem nicht nur – wie auf der einen Abbildung dargestellt – die Erzeugung des Umschwunges erläutert wird, sondern auch mitgeteilt wird, dass das italienische Vereinsturnen auch Frauenabteilungen aufwies, die ziemlich gut besucht waren, wie nämlich jene von Rom mit 80 Damen. Zwei junge Männer haben wir vor der Paulskirche abgefangen, photographiert und befragt. In den Notizen aus Frankfurt unterhalb unserer Liste ist mehr zu erfahren.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Frankfurter Paulskirche & Berliner Wind Die Frankfurter Paulskirche, die nur 120 Meter vom Tresor am Römer entfernt liegt, wird in 17 Tagen eine verstärkte ministeriale und von einem Expertenrat unterstützte Aufmerksamkeit erfahren, denn dieser Ort der ersten deutschen Nationalversammlung soll an nationaler Wirkung hinzugewinnen. Wie diese Absicht gestaltet wird, soll noch vor Ende des folgenden Jahres empfohlen werden. Dass dieser Ort eine besondere Bedeutung hat, ahnen und wissen auch die zahlreichen Besucher, die täglich die Ausstellung in der Paulskirche besuchen. Unter ihnen fallen zwei sympathische junge Männer auf, die sich sogleich bereit erklärten, für unser Foto zu posieren. Adam Janabi aus Katar sowie Quentin Vercruysse aus Frankreich studieren in Berlin und nutzen ihre Semesterferien auch, um Frankfurt am Main einen Besuch abzustatten. Kaum haben sich die beiden wieder auf die ausgestellten Exponate gestürzt, sichten wir die Frankfurter Dezernentin für Umwelt und Frauen, Frau Rosemarie Heilig, die sich noch lebhaft an ihre große Ehrfurcht erinnert, die sie während ihrer ersten im Plenarsaal gehaltenen Rede empfand. Dieses Gebäude und der Paulsplatz mit seinen Platanen ist zudem für viele Frankfurter ein außergewöhnlicher Ort, der eine erhabene und lebhafte Ausstrahlung hat. Und gerade in dem Moment, in dem wir versuchen das gesamte Gebäude im Sonnenschein und nicht im Wolkenschatten abzulichten, beginnt ein neues Gespräch mit einer Kundin und so steht man als plaudernder Bürger vor der Paulskirche - zwar ohne Haube, Sonnenschirm oder Zylinderhut, aber ähnlich wie auf den Stahlstichen des 19.Jahrhunderts.

DER NUMMERIERTE FREITAG

 

Büchersammler werden magisch von der schillernden Anziehungskraft dieser Bücher angelockt. Nummerierte Buchexemplare bergen zumeist Besonderheiten des Materials, schmücken sich mit Seltenheitswert und stechen mitunter durch Einzigartigkeit wie die abgebildeten Drachenentwürfe hervor. Dem japanischen Krieger zur Rechten, dem springenden Fisch zur Linken, dem exaltierten Wurm unten gesellen sich nicht nur weitere von Hand gezeichnete und kolorierte Figuren hinzu, sondern auch ein aus Papier und Holzstäbchen gefertigter Drache. All diese Originale auf und aus feinen japanischen Papierbögen liegen geschützt in der aufwendig hergestellten Mappe Kites of Japan des Meisters Tatsusabro Kato. Einen robusteren Eindruck hinterlässt das Künstlerbuch von Penck. Die Buchseiten aus Karton bieten den kräftigen und energiegeladenen Strichen einen adäquaten Untergrund. „I am ar.penck … who are you?“, fragt der Künstler in 100 signierten und nummerierten Exemplaren den Leser und Betrachter. Ein agiles Höhlensteinzeitmenschlein hebt die Arme neben der hingefegten Signatur oberhalb der Nr.8 im ereignisreichen Jahr 1989.

Besonders empfindlich mutet das Buchkunstwerk Reiner als Sinn an. Die gestrichelten dynamischen Formen von Günther Uecker zu Gedichten von Gennadij Ajdi wurden vom Stein auf samtig anmutendes und zart strahlendes Lithographiepapier gedruckt. Durch des Künstlers und des Dichters Hand ist das Exemplar vorzugsweise als eines von nur 30 römisch nummerierten - hier als die Nr.II - signiert. Ludwig Meidner hat 150 Mappen der expressionistischen Strassen und Cafés mit seinem Namen versehen – vermutlich nicht ohne Hindernisse und Materialengpässe, denn das Werk erschien im Herbst 1918, kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges. Und obwohl der Künstler gezwungen war in dieser Zeit seinen Militärdienst in einem Kriegsgefangenenlager bei Cottbus abzuleisten, liegt uns heute die von ihm signierte Nr.108 vor. Noch vor dem Krieg im Jahre 1912 erschien im selben Verlag von Georg Müller eine signierte Vorzugsausgabe des Dichters Richard Schaukal, die das Privileg hatte, auf Büttenpapier gedruckt zu werden als auch in einem edlen Maroquineinband mit goldgeprägten Deckelfileten, Innenkantenvergoldung und Kopfgoldschnitt eingebunden zu sein, um schmeichelnd als Nr.12 von 50 Exemplaren in den Händen des Lesers zu liegen. Nur ein Jahr später ist der handwerklich kunstvolle Handeinband mit der goldgeprägten Deckelvignette aus der Werkstatt von E.A.Enders nach einem Entwurf von Walter Tiemann gefertigt worden und bestätigt die hohe Buchbindekunst dieser Zeit. Unser ältestes nummeriertes Buch von Eugenie Mumm-Lutteroth aus Frankfurt am Main erschien 1889 in ihrer Heimatstadt und zieht vor allem die Blicke durch seine goldbedruckten Seidenbänder auf sich.

 

Im Anschluss des Angebotes kann man in den Notizen aus Frankfurt einem heiteren Zahlenspiel gemeinsam mit Tante Melber und dem Struwwelpeter folgen.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Zahlenspiel & Struwwelpeter Am nummerierten Freitag lassen wir uns von der nicht weit entfernten Gasse Hinter dem Lämmchen mit der Nummer 2 anziehen. Das Schild mit der Hausnummer hängt am rekonstruierten Haus zum Esslinger, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Auf dem Areal entstand später das Technische Rathaus, in dem auch der Tresor am Römer bis zum Jahr 2002, nämlich 25 Jahre lang, sein Domizil hatte. Vor circa zwei Jahren ist das Struwwelpeter Museum in das frisch wiedererbaute Gebäude, das die Frankfurter auch als Haus der Tante Melber kennen, gezogen. Tante Melber war die jüngere Schwester von Johann Wolfgang Goethes Mutter oder auch die zweite Tochter der Familie, die den Kaufmann und Hausbesitzer Georg Adolf Melber geheiratet hat und ihren Neffen Johann Wolfgang häufiger zu Besuch hatte, dessen lebhafte Eindrücke in Dichtung und Wahrheit nachgelesen werden können. Heute bleiben zween Mädchen vor dem Fenster des Struwwelpeter Museums stehen und betrachten mindestens eine doppelte Minute lang die 3 x 2 fremdsprachigen Struwwelpeterausgaben in Chinesisch, Französisch, in Italienisch, Arabisch, Japanisch und Türkisch. Währenddessen bemängelt ein Mann mit kurzer Lederhose auf zwoa stark behaarten Beinen die fehlende bayrische Übersetzung, und ein Paar passiert das Haus mit je einer Wurst, also mit zwei Würsten von der Altstadtmetzgerei Dey (nicht Zwey!). Wir hingegen überlegen mit der neu illustrierten Struwwelpeter-Ausgabe von Hans Witte - wundersam als 222 nummeriert - unter'm Arm, ob hier auf dem Hühnermarkt anno dazumal auch das Zweinutzungshuhn angeboten wurde. Als wir uns sicher sind, dass Hinter dem Lämmchen 2 das Leben von ausschließlich einer Zahl bestimmt ist, promenieren um Punkt 14 Uhr drei, 3, trois, tre, tres, üç, 三 Tauben, also ein Taubentrio durch das harmonische Zweierlei und bringen alles durcheinander. Hanns Guck-in-die-Luft aber – wir sehen ihn auf dem unteren Foto zusammen mit der Museumsleiterin Frau Zekorn im Duo – lässt sich nicht beirren, ja, die Hoffmannsche Reimerei bestätigt sogar die unerwartet aufgetauchte Zahl und erinnert uns wiederum an den unerwartet großen Erfolg des Kinderbuches Der Struwwelpeter: Also dass er kerzengrad / Immer mehr zum Flusse trat. / Und die Fischlein in der Reih' / Sind erstaunt sehr, alle drei.

AM FREITAG MIT WENIGER ALS 80 TITELN UM DIE WELT


Anhand des Angebotes kann heute eine Weltreise je nach Neigung und passend zu den geographischen Möglichkeiten laufend ......, fahrend -----, reitend ;:;:;:; oder segelnd ~^~ freudvoll durchgeführt werden. Versprechen können wir, dass es so einiges Kurioses auf den fremden Kontinenten zu entdecken gibt. Der Startpunkt befindet sich in Frankfurt am Main, von wo der Weg in Richtung Süden eingeschlagen wird. ...... ;:;:;:; ------ ...... ;:;:;:; ----- Der erste Halt wird in Spanien sein. Hier gibt uns Jean François de Bourgong Auskunft über die Stierkämpfe zu jener Zeit. Der Eintritt war nicht billig - das kann bereits verraten werden. Gut informiert erscheint der Autor auch über damals lebende Personen wie Don Pablo Olavide, der Zwangsaufenthalte in Klöstern absolvieren musste oder über den Sklavenhandel, zu dem er konkrete Zahlen angibt. Nachdem wir erfahren haben, wie sich in den Jahren 1782 bis 1788 die Inquisition in diesem Land verhalten hat, können wir einigermaßen erleichtert die Reise fortsetzen. ...... ~~~~ ^^^^^ ~~~~ Wir schippern zu den Kanaren ~~~~ ^^^^^ ~~~~ und belesen uns bei Renaudot über Algerien ;:;:;:;;:;:;:; --------- Von Ägypten und dem Sudan erhalten wir durch William George Browne neue Erkenntnisse - nämlich jene des endenden 18.Jahrhunderts. Darfour hat er als erster Europäer entdeckt und dort die Sitten und Bräuche der Einwohner aufgezeichnet. Interessant sind seine Beobachtungen in diesem Land über die vom Sultan erzwungenen Freilassungen versklavter Frauen oder auch die der Körperhygiene, denn statt Seife wurden Salben verwendet und besondere Haarpartien wurden ausgerupft. Diese und weitere detaillierte Beschreibungen finden Sie in dem Buch "Reisen in Afrika, Egypten und Syrien." ;:;:;:; ...... ;:;:;:; ------ ...... ;:;:;:; [Pause für das Maultier] 

;:;:;:; ----- ;:;:;:; ----- Westafrika Die "Reise durch das westliche Afrika, in den Jahren 1785, 1786 und 1787." informiert über Aufnahmeprüfungen in die sogenannten Purrah und dessen Strafen, sollte ein Mitglied Verrat geübt haben. Mit eigenen Augen gesehen und eindrucksvoll beschrieben hat der französische Ingenieurkapitän Golberry Sandhosen oder auch Tiere wie das Chamäleon. Und neben zahlreichen dieser eigenen Erfahrungen führt er in Tabellen die Anzahl der Sklaven und deren Wert auf. Wer wissen möchte, wie Krokodilfleisch schmeckt, ohne dies selbst kosten zu wollen, kann es in dem angebotenen Buch nachlesen. ...... ------ ...... ----- Südafrika ~~~~~~~~ ^ ~~~~~~~~ ^ ~~~~~~~~~ ^ ~~~~~~~~~ ^ ~~~~~~~~ ^ ~~~~~~~~~~~~ ^^^^^ ~~~~ Magellanstrasse  ~~~~ ^^^^^ ~~~~ Nach nicht ungefährlicher Seefahrt durch den Südatlantik (ein Sturm) und die Meerenge zwischen südamerikanischem Festland und Feuerland (unter Beobachtung neugieriger Pinguine) erreichen wir Chile, wo wir im Jahre 1875 zusammen mit dem Geologen A.Pissis u.a. am Krater des Vulkans Antuco stehen können. [Pause für Stärkung mit einem Guanaco-Braten]

~~~~ ^^^^^ ~~~~ ...... ------ ...... ----- Durch Nordamerika insbesondere durch die Felsengebirge bis nach Neu-Mexiko werden wir von Balduin Möllhausen anno 1857 geführt, der für diese Expedition von der Regierung der Vereinigten Staaten beauftragt wurde. Er selbst hat nicht nur die Reise, Eingeborene und andere Bewohner beschrieben, sondern auch die landschaftlichen Eindrücke gezeichnet, um uns die Charakteristiken der unterschiedlichen Landstriche vor Augen zu führen.  ^^^^ ~~~~ ^^^^^ ~~~~ ^^^^^ ~~~~ Hawaii studieren wir mit Hilfe von Augustin Krämer, bevor wir wieder in See stechen. ^^^^ ~~~~ ^^^^^ ~~~~ ^^^^^ ~~~~ Ausführlich werden wir über Australien von Samuel Sidney mit der ersten deutschen Ausgabe informiert, die mit Tagebucheintragungen von Goldgräbern endet. ~~~~ ^^^^^ ~~~~ Haiflossen vor Indonesien ~~~~ ^^^^^ ~~~~ ............ China und den Kaiserhof lernen wir dank der berühmten 24 Kupferstiche mit erklärenden Texten aus dem Jahre 1788 kennen. Wer wissen möchte, wer die Dame ist, die vor Tsching-Ti so gekonnt wie verführerisch tanzt und warum der Berater viel zu ernst den gebannten Blick des Prinzen beobachtet, möge die aufklärende Bildbeschreibung von Joseph Amiot lesen. Auch erfahren wir, warum die chinesischen Musiker im Himmel spielen und was es mit einem selten gesehenen Fabeltier auf sich hat. ------ ...... ------ ...... ----- Mit Araberhengsten galoppieren wir schließlich durch Persien des 17.Jahrhunderts, ;:;:;:;;:;:;:;;:;:;:;;:;:;:;:;: durch Arabien, ;:;:;:;;:;:;:;;:;:;:;;:;:;:;:;: Konstantinopel ;:;:;:;;:;:;:;;:;:;:;;:;: und den Balkan ;:;:;:;;:;:;:;;:;:;:;;:;: Kurz vor Ende der Reise gilt unser Dank dem athletischen und häufig lachenden Kamel aus der Reisebeschreibung von Jean Baptiste Tavernier, das uns so treu bis hierher begleitet hat. Auch das Maultier hat sich zäh und opferbereit verhalten, hat dann jedoch in Chile den mutigen Entschluss gefasst, dort auf den hoch gelegenen Bergwiesen der Kordilleren zu bleiben, um diese täglich genießen zu können. Wir hoffen, dass das Tier ein erfülltes Leben haben wird und nicht im Kochtopf von Weltreisenden wie uns landet.  ........ ----- Frankfurt am Main sollten wir nicht ansteuern, ohne zuvor am Bodensee Halt gemacht zu haben. Hier nämlich befindet sich der gedankliche Gründungsort der Antiquariatsmesse folium, die nach der Weltreise in den Notizen aus der Antiquariatswelt näher beschrieben wird.

NOTIZEN AUS DER ANTIQUARIATSWELT

folium.digital auf erwartungsfroher Jungfernfahrt Heute möchten wir auf eine digitale Antiquariatsmesse hinweisen, an der wir mit über 80 weiteren Antiquaren aus Europa, Amerika und Israel teilnehmen werden. Die Messe öffnet am Donnerstag, den 10. Juni 2021 um 14 Uhr das erste Mal seine digitalen Schleusen, um uns eine wohldosierte Flut von Titeln zu präsentieren. Initiiert wurde die Messe durch die deutschsprachigen Antiquariatsverbände der Schweiz, Österreichs und Deutschlands. Auch durch die zweisprachige Präsentation ist hier ein internationaler Markt für antiquarische Bücher und Grafik entstanden, den Sie mit folgendem Link entdecken können: folium.digital

Das Antiquariat Tresor am Römer wird sich vorwiegend farbenprächtig und thematisch vielseitig präsentieren. Neben dem rot leuchtenden Maroquineinband des bibliophilen Autors Jules Janin, erklingt eine seltene Sammlung auserlesener Gebirgslieder als Lithographien gedruckt und von Ulrich Halbreiter herausgegeben, krabbeln Igel, Mäuse, eine Sumpfschildkröte, fliegen Hirschkäfer und Fledermäuse mit 32 anderen Tieren als Originalaquarelle des Tiermalers Erich Schröder durch das antiquarische Angebot, erfreuen 94 Vogeldarstellungen des zuvor genannten hervorragenden Illustrators unsere Augen. Sodenn fleuchen die Tiere der sogenannten Scheuchzerschen Kupfer-Bibel über den Bildschirm, gefolgt von dem blauen Huhn von A.R.Penck, den Aufregungen eines Lockenraubes sowie anderen Köstlichkeiten der Buchkunst.

BAUEN UND TECHNIK AM FREITAG

 

Es ist doch ein allzu schönes Gedankenspiel, zu dem uns Leonhard Christoph Sturm (1669-1719) - der bedeutendste Architekturtheoretiker seiner Zeit - mit seinen detaillierten Anweisungen verführt. Stellen Sie sich vor, Sie wären die Frau eines reichen Brauers und Getreidehändlers in einer volckreichen Statt im Jahre 1761. In diesem Falle könnte es sein, dass Sie in einem Haus wohnen, in dem Sie vielseitige Möglichkeiten zum Hantieren hätten. Sie würden verfügen über "einen Thor-Weg, eine grosse Trinck-Stube, eine kleine Trinck-Stube, oder, wo der Hauß-Herr sich vornehm aufführet, eine Visiten-Stube, ein Einheitz-Gewölbigen, eine ordentliche Wohn-Stube, einen Alcoven, zwei Kammern, die Stube vor den Hauß-Herrn, eine kleine Deele, einen Stall für Pferde, den Thorweg nach dem Brauhauß, einen Kuhstall, Hünerställ, Maltz-Tennen, Maltzdörre, ein gewölbtes Brau-Hauß, zwey Geschoß von den fünffen hoch, einen Kühl-Trog, Maisch-Fässer, einen Hopffenkessel, einen Brau-Kessel, eine Wasser-Pumpe, einen Schweinhof, Schweine-Ställe, noch eine Pumpe, einen Abzug der Wasser (gehet durchaus auf die Gasse), eine Brandtewein-Brennerey, Holtz-Gewölbe, zwey Geschoß hoch von den fünffen..." Dies wäre das unterste Geschoss, während die anderen mit Mietwohnungen ausgebaut sind. Einzig zu bemängeln ist, dass es kein Studierzimmerchen für die Hausdame gibt. Auf dem Grundrissplan sind alle Räume außerordentlich übersichtlich aufgeführt, weitere Kupferstiche zeigen die unterschiedlichen Fassaden der Wohnhäuser, aber auch Prachtgebäude auf dem Lande sowie Säulen der unterschiedlichen sechs Ordnungen, präzise dargestellt in der von L.C. Sturm herausgegebenen Vollständige Anweisung, alle Arten von regularen Pracht-Gebäuden nach gewissen Reguln zu erfinden, auszutheilen und auszuzieren.


Nicht ganz unwahrscheinlich wäre es, dass der wohlhabende Brauer neben seinen Pferden, Kühen und Hühnern auch eine Perpendikeluhr (womöglich mit einem Stundenschlagwerk) im Hause stehen oder zumindest eine mittlere Taschenuhr hat, damit der Inhalt des Hopfenkessels pünktlich umgerühret wird. Zum Verständnis dieser technischer Wunderwerke empfehle man ihm die Ausführliche Abhandlung von den Uhren überhaupt von Jakob Alexander, justament 1763 in deutscher Übersetzung und mit vielen Kupfern erschienen. Von besonders reizvoller Wirkung ist die handkolorierte Neue Tafel vor alle Liebhabers und See-fahrende Personen, die über dem Schreibtisch des Hausherren eine gute Figur machen könnte. Nach stundenlangen nächtlichen Privatstudien wären das helle Türkis und das pointierte Rot eine erholsame Abwechslung für seine Augen. Das Gelb könnte seinen Blick auf die Galionsfigur lenken, träumend hätte er sich auf dem ranghöchsten Admiral-General Posten gesehen - Hackebord mit Wind im Backenbart. Doch zu der dekorativen Kraft des Kupferstiches gesellt sich die Genauigkeit technischer Informationen, derer ein seriöser Liebhaber benötigt.

Für die Notizen aus Frankfurt eilten wir mit Fotoapparat und Notizblock zu Autoteile-Schuwerack. Was wir dort gefunden haben, lesen Sie am Ende unseres Angebotes.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Klopf & Kauf In der Braubachstraße 7, gegenüber dem Museum für Moderne Kunst, befindet sich Autoteile-Schuwerack. Bereits das Schaufenster lässt ahnen, dass der Laden ein riesiges für den Kunden unübersichtliches Sortiment birgt. Das Geschäft ist seit 1945 hier zu finden und wurde von Wilhelm Schuwerack geführt, bevor seine Tochter Vera, die bei ihrem Vater eine Lehre gemacht und schließlich den Laden übernommen hat. Frau Schuwerack wird aufgrund ihrer Fachkenntnisse sehr geschätzt und auch aus eigener Erfahrung möchten wir das Geschäft auf diese Weise empfehlen. Der Laden hat weiterhin geöffnet, um geläufige Artikel wie Türgriffmuscheln, Motorenöl, Kleeblatt-Felgenschlösser, Lenkhilfen aber auch erforderliche Dinge wie einen Schutzschlauch Marder Stop & Go oder Anti-Marder Stäbchen, eine Scheinwerferbirne für einen alten Mini, das Starktonhorn, das Elektro Fanfaren-Set im Zweiklang sowie einen Kugelschreiberhalter anzubieten. Um im Auto einen gewissen Komfort zu gewährleisten, empfiehlt sich das Holiday-Traveller-Garderobe-System, der Lenkradschoner hergestellt in einem samtigen Textil und der Kinder-Beobachtungsspiegel. Ihre Kunden empfängt Frau Schuwerack zum derzeitig coronabedingten Klopf & Kauf an der Ladentür. Auf dem Foto sieht man sie etwas mürrisch, musste sie doch gerade eine lästige Anfrage zum Geldwechseln für die Parkuhr abweisen. Bei dem Foto im detailfreudigen Innenraum des Ladens handelt es sich um ein Archivfoto, das wir dankenswerter Weise von Dagmar Priebke, Kennerin der jungen Frankfurter Geschichte in der Braubachstraße und Umgebung, erhalten haben. 

DAS 16.JAHRHUNDERT AM FREITAG


Unser hier dargebotenes 16.Jahrhundert beginnt mit einem Aufeinandertreffen reizender italienischer Frauengestalten und des unbesiegbaren römisch-deutschen Ritters Theuerdank. Dieser in breiten schwarzen Holzschnittlinien dargestellet, jene in zarten Linien und Farben nach Raffaels kapriziösen Geschöpfen präsentieret. Die Unterschiede der Darstellungsmanier sind enorm und doch – man glaubt es kaum – im gleichen Jahrzehnt entstanden bzw. begonnen worden. Die erste Ausgabe des Theuerdank wurde 1517 gedruckt und diente der Mythenbildung des Lebens Kaiser Maximilians I. Unbesiegbar wollte er der Nachwelt in Erinnerung bleiben und veranlasste die Veröffentlichung, die sogleich nach seinem Tod 1519 in 340 Exemplaren verteilt wurde. Unsere hier angebotene Ausgabe ist nach 1679 erschienen. 123 Textholzschnitte, darunter auch die 6 zusätzlichen Holzschnitte, geschnitten von Leonhard Beck, Hans Schäufelein, Hans Burkmair u.a. begleiten die Abenteuer und Prüfungen des Ritters auf seinem Weg zu seiner zukünftigen Braut, dem holden Fräulein Ehrnreich, die hier dem tapferen Helden gegenübertritt.

Gleich zu Beginn der Angebotsliste flattern dem Betrachter leuchtend kolorierte Vögelchen entgegen, schnörkeln sich Blätter und Leuchter in unvergleichlicher Ornamentvielfalt, strecken sich zarte Frauengestalten in Richtung Himmel. Sie sind hier als Kupferstiche in über einem Meter Höhe gedruckt sowie aufwendig per Hand koloriert verfügbar und bilden die Ausmalungen der Loggien des Papstpalastes nach, die Raffael 1513 begann. Weitere ästhetische Zeugnisse des italienischen Cinquecento zeigen sich in der in Venedig gedruckten Ausgabe Il Decameron von Giovanni Boccaccio. Die Vielfalt der Ornamente setzt sich hier fort. Wir sehen ausgewogen komponierte Marginalien, Kolumnentitel und aufwendig geformte Textblöcke in Antiquaschriften gesetzt im Spiel mit verzierten Initialen und raffinierten Kopfstegen. Es ist wohl nicht übertrieben, wenn man feststellt, dass die Seiten dieses Buches einen Genuss für das Formgefühl darstellen. In der ersten verteütschet Ausgabe der Officia von Cicero aus dem Jahre 1531 gibt es ähnliche Textgebilde, allerdings hat das Buch aufgrund der gotischen Schrifttype und der Holzschnitte ein spürbar anderes ästhetisches Temperament, das ebenso über zahlreiche Reize verfügt und zudem sehr selten auf dem antiquarischen Buchmarkt anzutreffen ist.

Die berühmte Officina Plantiniana aus Antwerpen ist in unserer Auswahl mit dem Titel Syntagma Tragoediae Latinae in einem blindgeprägten Schweinsledereinband der Zeit vertreten und gibt uns die Möglichkeit auf das großartige Plantin-Moretus-Museum hinzuweisen, das teilweise noch aus den Gebäuden der Renaissance besteht, als auch über erstaunlich umfangreiches Werkstattinventar mit den ältesten Druckpressen und eine Bibliothek mit der beinahe gesamten Buchproduktion des Hauses verfügt. Hier ist der erste moderne Atlas Theatrum orbis terrarum von Ortelius gedruckt worden, aus dem auch der unten folgende Kartensatz mit den damals bekannten Kontinenten und der Weltkarte stammt. Eine Gesamtansicht von der im 16.Jahrhundert reichsten Handelsstadt Anverpia haben natürlich Georg Braun und Frans Hogenberg für ihr Ansichtenwerk Civitates Orbis Terrarum anfertigen lassen, die hier sorgsam und von alter Hand koloriert zu sehen ist. Mit dem aus dieser Ansicht elegant hervortretenden Edelmann, flankiert von drei die damalige Mode präsentierenden Damen, schließen wir die heutigen Ausführungen, jedoch nicht ohne an unseren hiesigen Drucker und Verleger Christian Egenolff in den Notizen aus Frankfurt zu erinnern.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Denkmal & Straßenschild Auf den Spuren des Druckers und Verlegers Christian Egenolff, der hier in Frankfurt am Main tätig war und im Jahre 1555 gestorben ist, konnten wir eine Straße, die nach ihm benannt wurde, entdecken sowie ein Porträt, das hoch oben mit 13 anderen Verlegerköpfen aus dem Gutenberg-Denkmal schaut. Das Denkmal ist 1858 auf dem Roßmarkt eingeweiht worden und behauptet sich dank seiner kantig sperrigen Form sowie der massigen mit Tüchern bedeckten weiblichen Allegorien standhaft gegenüber den hohen Bankentürmen. Der Stahlstich, ein Einblattdruck, zeigt die Einweihung des Denkmals und befindet sich im Angebot des Tresor am Römer. Egenolff hat beachtliche Werke verlegt wie die sogenannte Egenolffsche Bibel in der Übersetzung von Luther mit den Illustrationen von Hans Sebald Beham oder dem Teutschen Kräuterbuch von Adam Lonicer, ein Standardwerk der damaligen Zeit. Ebenso hat er die Neubearbeitung des Theuerdank beauftragt und schließlich mit den Originalholzstöcken der Holzschnitte drucken lassen. Die Offizin, die sich an der Ecke Großer Kornmarkt/Sandgasse befand, wurde bedauerlicherweise 1907 abgerissen.

FREITAGSSPAZIERGANG


Heute leitet das Häschen Fridolin unseren vergnüglichen Frühlingsspaziergang ein „Und so zieht er froh und heiter / Wie ihm Lust und Laune lenkt / Seine Hasenstraße weiter“, um sich - nachdem er seine Ostereier verteilt hat - zufrieden in die grüne Wiese fallen zu lassen. Weitere Ostereier finden wir in dem Bilder-ABC, in dem kolorierte rote Wangen, der blumenbekränzte Frühlingshut, das himmelblaue Kleid sowie rosane Eier aus dem gelben Korb um die Wette leuchten. Im Jahre 1925 tanzten in der Kinderheimat. Ein Lesebüchlein für kleine Leute die Hasen sogar auf den vermutlich hartgekochten Ostereiern und Das fidele Wichtel-ABC hat Frau und Herrn Hase fürsorglich mit Regenschirmen ausgestattet.

 

 

Ebenso können wir durch das lithographierte Reichenbachtal von Fritz Wucherer promenieren als auch auf dem Römerbrückchen bei Eschborn verweilen, unter Bäumen von Jakob Maurer mit Blick auf den Kronberg sitzen oder in einer in Grau und Blau aquarellierten Landschaft am Falkenstein herumstromern. Besonderen Reiz hat die Promenade vor dem Gallustor in Frankfurt, die durch den Park führt. Mitnehmen sollte man bei dieser Gelegenheit unbedingt den Osterspaziergang von Johann Wolfgang von Goethe. Wenn ein Pudel auftaucht, könnte man ihn anlocken und streicheln, aber – so unsere dringende Warnung - nur wenn er nicht schwarz ist, und einen Feuerstrudel sollte er möglichst auch nicht hinter sich herziehen. In diesem Falle wäre es nicht unwahrscheinlich, dass der Spaziergang ungewollt mit einer Mephistopheles'schen Erscheinung endet.

Weniger gefährlich sind die Frühlingseindrücke von Friedrich Schiller und Friedrich Matthisson, die hier in Leder gebunden oder mit Stichen in der Titelei verziert ihre Leser anlocken. Das blaue Frühlingsband lässt Eduard Möricke um uns herum flattern und einen Frühlingsschimmer schickt Joseph von Eichendorff in einer illustrierten Ausgabe mit Originalfarbholzschnitten. Besondere Aufmerksamkeit verdient Heinrich Vogeler, der mit 10 zarten Originalradierungen den Frühling in einer Mappe von nur 100 Exemplaren auf Büttenpapier begrüßt. Unsere Lieblingsradierung zeigt einen verweilenden Flaneur mit Spazierstock und Hut, der einen Vogel im Flug beobachtet und der das menschliche Glück in der Frühlingszeit sichtbar birgt.

 

Das letzte Buch passt thematisch nicht in unseren Freitagsspaziergang und ist auf Wunsch eines einzelnen Tieres beigefügt worden. Was es hiermit auf sich hat, lesen Sie in den Notizen aus der Umgebung von Frankfurt am Ende unserer Angebotsliste.

NOTIZEN AUS DEM UMLAND VON FRANKFURT

Weißes Schaf & Blaustern Auf einer Wanderung über den Unteren Vogelsberg und entlang an der Nidda begegneten wir am letzten Wochenende einer Schafherde. Ein munteres, weißes Jungtier näherte sich uns und wir kamen ins Gespräch. Es dauerte nicht lang und es nannte uns seine Lieblingslektüre: Reineke Fuchs von Johann Wolfgang von Goethe. Nun wissen wir aber, dass es mit dem Widder Bellyn in diesem Epos viel zu früh - Bellyn befand sich im besten Widderalter, so jedenfalls hat Wilhelm von Kaulbach ihn illustriert - zu Ende geht. Reineke Fuchs hat ihm übel mitgespielt, so dass der Wolf Isegrim ... Und doch sei unsere neue Schafbekanntschaft von der Fabel aufs beste belehrt worden - unterhaltsam sei sie sogar, die Fabel, beharrte das Schaf uns und den anderen eher ängstlich blickenden Wollknäulen gegenüber. Auch Das Mondschaf von Christian Morgenstern gefalle ihm sehr, vor allem die lateinische Version, für die der Autor ein eigenes lateinisches Wort erfunden habe: Lunovis - Mondschaf. Zwei glitzernde Äuglein blickten sodenn nach oben in das Vogelsberger Himmelsblau und unser Schäflein deklamierte euphorisch "Se culmen rer' ess' omnium. - Ich bin des Weltalls dunkler Raum.". Anschließend lächelte es sichtlich bewegt. Für das Foto, siehe oben, hat sich das hübsche Tierchen sofort bereiterklärt, jedoch mussten wir versprechen, den Reineke Fuchs mit in die Angebotsliste aufzunehmen. Ebenso in unserem Angebot befindet sich ein altkolorierter Kupferstich mit dem zierlichen Blaustern, der auch auf dem unteren Foto zu sehen ist und ebenso am letzten Wochenende gesichtet wurde.

STADT LAND FLUSS AM FREITAG


Ein imaginäres Sonnenschirmchen reicht am heutigen Freitag aus, um einen Stadt Land Fluss-Ausflug durch das reiche Angebot des Tresor am Römer zu machen. Zu Beginn sollten wir die schönen, neptunischen Beine des Vater Rhein bewundern und möglichst reisefreudig mit F.W.Delkeskamp das ausgefaltete Panorama des Rheins Mainz bis Coeln ganze 255 cm an feinst gestochenen Häusern und Burgen entlang schippern. Pater Rhenus, leicht bedeckt mit einer Wasserpflanze, empfiehlt nicht nur den im Jahre 1744 erschienenen Reiseführer Denkwürdiger und nützlicher Rheinischer Antiquarius, Welcher die wichtigsten und angenehmsten geograph- histor- und politischen Merkwürdigkeiten des ganzen Rheinstroms... darstellet, sondern auch die seltene Rheinlaufkarte vom Beginn des 18.Jahrhunderts, auf der sich der altkolorierte Flussgott zudem in einer dekorativen Kartusche präsentieret. Unser Weg über Hamburg wird von zwei Landvermessern begleitet. Bedeckt mit zwei Schlapphüten flankieren sie den Verlauf der Elbe und die altkolorierte Gesamtansicht von Hamburg aus dem Jahre 1642. In einem regennassen, fruchtbaren sowie lebensbejahenden Grün werden wir uns auf der Panoramic Map of the Thames and Medway tummeln, zwischendurch London durchqueren und schließlich von der Nordsee aus nach Afrika und in Richtung Nil weiterziehen. In Kairo könnten wir, so empfiehlt es Anton Graf Prokesch-Osten in seinem Führer Nilfahrt bis zu den zweiten Katarakten, in einem Gasthof ersten Ranges absteigen, nämlich in Shepheard's Hotel, das tatsächlich von einem Deutschen geführt wird, jedenfalls im Jahre 1874. Zu jener Zeit lebten in dieser Stadt sage und schreibe 50.000 Europäer. Nachdem die Khalifen-Gräber im Osten, die Mameluken-Gräber im Süden und der Versteinerte Wald besichtigt wurden, könnte ein Besuch im Zirkus von Kairo für Zerstreuung sorgen. Einer Krokodilsjagd möchten wir abraten, da die scheuen Tiere bereits in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts selten geworden sind. Außerdem tarnen sich die wenigen Überlebenden als Baumstämme und sind somit fast nicht sichtbar. In Theben, so rät Graf Prokesch-Osten fürsorglich an, sollte auf allen Ausflügen ein mit Erfrischungen und kalter Küche beladener Esel folgen - unerlässlich vor allem bei mehrtägigen Touren!


Wieder in Europa angelangt - möglichst mit Proviant-Esel - und während wir uns durch die großformatigen Alpenlandschaften von 1891 blättern, die Vogesen hoch und runter wandern oder in dem Eisenbahnwaggon des Panorama der Main-Neckar und Badischen Eisenbahn auf dem Weg nach Frankfurt am Main sitzen, empfiehle sich, das schmackhafte Truthuhn aus Ägypten zu verzehren. Schließlich führen uns Meriansche Faltansichten über kräftig gedruckte schwarze Linien der zahlreichen Kupferstiche durch Franken, Thüringen, Sachsen, nicht ohne in Frankfurt am Main Halt gemacht zu haben, einst Heimatort des Verlegers und Kupferstechers Matthäus Merian, dessen Städteansichten unser Bild des Heiligen Römischen Reiches im 17.Jahrhundert geprägt haben. Sein großformatiger und somit außerordentlich detaillierter Stadtplan von Frankfurt am Main lädt zum Verweilen ein und beim Verlassen der Stadt am Fluss sollte der atemberaubende Panoramablick vom Sachsenhäuser Berg  wahrgenommen werden. In Berlin beenden wir unsere Reise zusammen mit Sabine und Peter, vier Verse des Kinderbuches Wir suchen Deutschland von 1948 deklamierend und hoffend, dass unser Ausflug Beifall finden wird. Das Brandenburger Tor, noch ist's zu finden, / die U-Bahn dort, und dort die Linden. / Ein Brausen, Hupen Tag und Nacht! / So hab' ich mir Berlin gedacht.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Stadt Land Fluss im Historischen Museum  Noch ist das Historische Museum, das sich unweit des Tresor am Römer in Richtung Main am Römerberg befindet, nicht geöffnet, die Vorbereitungen jedoch laufen - wie man sieht - auf Hochtouren. Ab Samstag, dem 13.März 2021 darf das Museum also wieder seine Türen öffnen, und wir können neben dem Heller-Altar von Albrecht Dürer und Matthias Grünewald, dem weltweit ältesten Erdglobus mit America-Bezeichnung, den ausgestellten Stadtplänen, Landkarten und Stadtansichten auch das Altstadt-Modell der Brüder Treuner sowie das Exemplar des Erstdrucks des berühmten Frankfurt-Plans von Matthäus Merian - der Tresor am Römer bietet diesen Stadtplan in der letzten Originalausgabe an - und die mehrfach überarbeiteten Kupferplatten betrachten. Der stellvertretende Direktor des Museums, Dr. Wolfgang Cilleßen, äußert sich uns gegenüber mit Erleichterung: "Endlich wieder der Zauber der Originale ...". Nach diesen erfreulichen Nachrichten möchten wir noch einen Herren präsentieren, der gegenüber den Eingangstüren an einem sonnigen Plätzchen steht. Die Vermutung, dass es sich bei ihm zumindest um Herkules handelt, wird ermutigt, wenn man die kräftige und hier extra für unsere Kunden betonte Kniepartie betrachtet. Die neckischen Schleifen jedenfalls könnten auch Vater Rhein gefallen.

SEHNSÜCHTIG ERWARTET! BRIEFE AM FREITAG

 


Es ist doch ein großes Glück für uns alle, dass das Telefon erst Anfang des 20.Jahrhunderts eine wichtige Rolle in der Kommunikation übernommen hat. So sehen wir uns heute in der Lage, eine Vielzahl von Briefausgaben und Autographen anzubieten, die in vorherigen Zeiten skribiert worden sind. Die ältesten Briefe in unserem Angebot sind jene von Cicero, von C.M.Wieland übersetzt und mit zahlreichen Erläuterungen versehen. Petrarca musste seine Briefe lange suchen, hat sie schließlich “begierig gelesen” und konnte so seinen “Lehrer” auch als Mensch erkennen. Selbst wir, die hessischen Lateinschüler, die wir tagein, tagaus versucht haben, die uns unendlich lang erscheinenden Sätze von Cicero zu übersetzen, wissen inzwischen seine sprachliche Eleganz zu schätzen. Zudem sind sie von historischem Interesse, ebenso wie die Autographen von Heerführern des 30jährigen Krieges wie Albrecht von Wallenstein, die sich mitunter mit großzügigem barocken Schwung dem Empfänger empfehlen. Die Handschrift des Prinzen von Condé hingegen könnte man als Klaue bezeichnen und veranlasst zur Vermutung, dass der Brief kurz vor, nach oder vielleicht sogar während einer Schlacht auf einem Pferd geschrieben wurde. Emanuel Geibel, auch bekannt als Dichter J.J.Hoffstede in den Buddenbrooks, setzt seine Buchstaben ordentlich in gleichen Abständen, die Majuskeln jedoch mit einer Verve, die das Lübsche Temperament durchschimmern lässt. Tatsächlich überrascht sind wir beim Betrachten der Weihnachtskarte von George Grosz. Fast bieder erscheint das Motiv des Tannenzweiges. Doch schlägt man die Klappkarte auf, fliegt dem Auge umgehend das “O” vom handschriftlichen “Old George” entgegen: ein Gesicht mit zauseligem Greisenbart, das in diesem Zusammenhang von Grosz’ Leben in seiner neuen Heimat Amerika erzählen kann. Folgen wir kurz nach dem Sonntag des Heiligen Valentinus den Briefen von Johann W. von Goethe an Charlotte von Stein in einer passenden roten Lederausgabe mit zarter aber reicher Goldornamentik auf dem Rücken. Hier lesen wir kurze, stürmisch niedergeschriebene und gefühlsreiche Liebesbriefe, immerhin sechs Stück in sieben Tagen im Jahre 1776 … “Alles wies war nur ich bin anders” … Und recht lebhaft sowohl als frech verteilt Christian Fürchtegott Gellert an eine nicht namentlich genannte Madam "etliche Dutzend Mäulchen [...] denn das kann Ihr Mann nicht sehen [...] Noch eins Madam, wo soll ich schlafen? Nur in keiner Kammer, wo Mäuse sind. Ich will lieber etliche kleine Bären und ein Rhinoceros um mich haben, als diese geschwindfüßigen Unholde. [...]" Welche Tiere Herr Gellert tatsächlich bei diesem Aufenthalt getroffen hat, lesen Sie in der Vorzugsausgabe auf Zanders-Hadern-Bütten.


In den Notizen aus Frankfurt stellen wir heute einen italienischen Herren mit seinem narzissengelben Handwagen vor, der bereits hoffnungsfroh in Richtung Frühling leuchtet.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Briefträger & Kalabrien Briefe und Kalabrien sind für uns untrennbar geworden, denn unser Briefträger hier in der Braubachstraße kommt aus dieser süditalienischen Region und heisst Nicola Pontoviero. Er ist zwar bereits vor 41 Jahren nach Deutschland gekommen, aber sein frisch gebliebener italienischer Akzent erfreut uns hier im europäischen Norden fast täglich. Kurz, Signore Pontoviero ist unser Lieblingsbriefträger. Unsere neugierige Frage nach der Valentinstagspost - meistens erkennt man sie am farbigen Umschlag, auf dem liebevoll mit blauer Tinte die inbrünstig verschlungenen Buchstaben des Namens der Angebeteten oder des Geliebten geschrieben stehen - beantwortet er aber mit einem traurigen Schulterzucken. Als passionierter und erfahrener Postbote muss er konstatieren, dass die Valentinstagspost Jahr für Jahr abnimmt. Da derzeitig im Tresor am Römer ein Roman passend zum Freitagsthema gelesen wird, können wir berichten, dass wiederum ein kalabrischer Briefträger aus dem Roman Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall in den Postverkehr selbst eingreift und Liebesbriefe mitunter unter gefälschtem Namen und an falsche Empfänger austrägt... Was Signore Pontoviero zu diesem seinen Kollegen in seiner Heimat sagt, werden wir vermutlich morgen erfahren und freuen uns bereits auf eine eindrucksvolle italienische Geste.

DER ENGLISCHE FREITAG


Engländer!
Dieser unser Ausruf, der Respekt, Erstaunen, Erheiterung und Applaus in sich birgt, leitet den heutigen Freitag mit einem vielfältigen Angebot ein. Starten wir mit Sports: 1898 erschien ein heute seltenes Buch über das traditionelle Golfspiel, in dem mit Hilfe von zahlreichen Illustrationen der optimale Ballabschlag gelehrt wird. Man beachte zur Rechten auch die Golfkleidung der Dame, die aus einer Kombination von bodenlangem Rock, einem kurzen sportlichen und gut befestigten Umhang, einer neckischen Fliege und einem gekonnt plazierten Hütchen mit wippenden Vogelfedern besteht und schlussfolgern lässt, dass diese Sportart mit einer gewissen Eleganz ausgeführt werden kann. Das Buch Juvenile Sports for Boys and Girls erschien zwar circa 50 Jahre zuvor in Philadelphia, doch der britische Einfluss ist unverkennbar. Texte und 24 Kupfertafeln zeigen uns, wie Trap-Ball, Blindman's Buff oder Peg-Top gespielt wird und beschreiben das Leaping, Swinging, Flying a Kite, Skipping, Foot-Ball oder das See-Saw. Nicht wippend aber vielleicht in einer Kutsche sportlich schaukelnd können Städte, Landschaften und Eigenarten der Engländer entdeckt werden. Travelling: Carl Gustav Carus begleitete den sächsischen König Friedrich August als Leibarzt auf dessen Reise durch Großbritannien und verfasste einen Bericht in Tagebuchform, der hier in der englischen ersten Ausgabe vorliegt. The King of Saxony's Journey through England and Scotland in the Year 1844 erschien 1846, nur zwei Jahre nach der Reise. Eine ausführliche Beschreibung in vier Bänden Neueste Reisen durch England, vorzüglich in Absicht auf die Kunstsammlungen, Naturgeschichte, Oekonomie, Manufakturen und Landsitze der Großen hat der bereits durch seinen Italienführer bekannte Johann Jacob Volkmann veröffentlicht. So konnten sich 1781/82 Reiselustige auch über das Essen in dem fremden Land informieren, nämlich: „die englische Küche wird den Reisenden anfangs sehr befremden. Sie essen viel Fleisch und wenig Gemüse und durchgänig nur gar in Wasser gekocht... In manchen Privathäusern, wo man logiert, kann man sich auch den Mittagstisch ausbedingen, allein das Essen ist nicht sonderlich und man bekommt oft die Überreste des vorigen Tages ...“ Pasteten hingegen gab es in Versailles, dies und mehr, empfindsam und höchst vergnüglich von Laurence Sterne erzählt, können wir in seinem unvollendeten Roman nachlesen.

Literature: In Yoricks empfindsame Reise durch Frankreich und Italien erfahren wir wenig über die Geschichte des bereisten Landes, jedoch begegnen wir in einer Buchhandlung einem jungen Mädchen mit einem grünen Seidentäschchen, wir lernen die Gefühle eines wallfahrenden Deutschen kennen, der über den Tod seines geliebten Esels weint, wir werden Zeugen einer zarten Berührung zwischen Yorick und einer französischen Buchhändlerin und nehmen in dieser ersten deutschen und überarbeiteten Übersetzung teil an der Entstehung der literarischen Empfindsamkeit. Weiterhin befindet sich eine splendid und schön gestaltete und von Arthur Rackham illustrierte Ausgabe Ein Sommernachtstraum von Shakespeare und auch Gullivers Reise von Jonathan Swift mit einer signierten Originalradierung und 25 teils ganzseitigen Originallithographien von Lovis Corinth im Angebot; sodenn folgen in Erstausgaben To the Lighthouse von Virginia Woolf, Tales of Space and Time von H.G. Wells, Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde von Robert Louis Stevenson.

 

In den Notizen aus Frankfurt fliegt kein Golfball aber eine englische Kopfbedeckung durch die Luft und erinnert uns an die Stürme des Lebens, die mithilfe des Programms der diesjährigen Antiquariatsmesse zumindest etwas gemildert werden können.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Bowler & English Theatre Als wäre es ein Zufall, fliegt justament ein Bowler am English Theatre vorbei, während wir das Foto machen. Einerseits unterstreicht der entflohene Hut die windige Tristesse, andererseits könnte die Situation den Zuschauer erheitern. Und wer ist der Besitzer der Kopfbedeckung? Ein englischer Gentleman aus dem umliegenden Bankenviertel oder doch ein traditionsbewusster englischer Schauspieler des Theaters? Vielleicht ist es sogar Dr. Jacob Bronowski, die Hauptfigur aus Secret Life of Humans, dem wartenden Theaterstück, das hoffentlich bald aufgeführt werden kann. Wir wissen natürlich, wer der Hutbesitzer ist, werden aber nur verraten, dass seine Beinbekleidung kariert war.

Die Antiquariatsmesse Stuttgart wird dieses Jahr am 29.1. in einem digitalen Format stattfinden. Sie wird flankiert von einem bereits erschienenen Katalog, von Gesprächen, Interviews und den Angeboten der Aussteller, die zu Messebeginn einsehbar sein werden. Informationen finden Sie unter folgendem Link: Antiquariatsmesse Stuttgart

DER BUNTE FREITAG


Der heutige bunte Freitag ist nicht nur besonders farbig, sondern präsentiert sich auch thematisch in einem gewagten Durcheinander. So begegnen wir einem aufgeregten Gelb für die Einband- und Schubergestaltung der Klage um Ignacio Sánchez Mejias von Federico Garcia Lorca mit großflächigen Farblinolschnitten von Francisco Borès. Der Pappband des neu illustrierten Struwwelpeter von Hans Witte hingegen zieht die Aufmerksamkeit mit Hilfe eines frischen und frechen Gelbes auf sich. Die Ansicht von Dresden als Umrissradierung ist um 1830 von zarter Hand mit lichten aber intensiven Wasserfarben koloriert worden. Auf der Terrasse des Japanischen Palais dominiert eine abwechslungsreiche Grünpalette unter hellem blauen Himmel, heiter unterbrochen von dem roten Sonnenschirm einer Dame. Das Bilderbuch für Kinder enthaltend eine angenehme Sammlung von Thieren, Pflanzen, Blumen, Früchten, Mineralien, Trachten und allerhand andern unterrichtenden Gegenständen aus dem Reiche der Natur, der Künste und Wissenschaften von F.J. Bertuch enthält die unfassbare Anzahl von 1186 altkolorierten Kupfertafeln in 12 Bänden. Die Kolorierungen sind von hoher Qualität und verraten den Anspruch des Herausgebers und des Verlages dieses Werkes, das innerhalb von 40 Jahren entstanden ist und hier komplett vorliegt. Unerwartet und aufregend wirkt der rote Maroquineinband, der von Henry van de Velde 1929 in abstrakten Formen gestaltet wurde. Die weiche und warm anmutende Oberfläche des Leders sowie die gelben, hellroten und blauen Intarsien, die in die große rote Fläche eingefügt wurden, betonen Rilkes farbliche Beschreibungen in Die Weise von Liebe und Tod des Cornets. „ … Flüche, Farben, Lachen –: davon blendet das Land. Kommen bunte Buben gelaufen. Raufen und Rufen. Kommen Dirnen mit purpurnen Hüten und flutendem Haar. Winken. ...“ Hellgrüne Farben und die leuchtend gelbe mit roten Linien umrandete Kartusche dominieren den wohl ältesten erhaltenen Stadtplan von London, der um 1580 von Braun und Hogenberg angefertigt wurde und hier in tatsächlich ganzflächiger Kolorierung angeboten wird. Quietschig tönen die Farbkombinationen der Holiday Jinks, unzerreissbar die Seiten und in englischen Versen verfasst. Von plakativer Kraft behaupten sich die Seiten des poppigen Bilderbuches Children's Book von Andy Warhol, dessen „Roli Zoli“ diesen einleitenden Text begleitet. Von intensiver Luminanz sind die feinen handkolorierten Holzstiche in Moeurs, usages et costumes de tous les peuples du monde von August Wahlen, die trotz ihres Alters von 176 Jahren die Blicke der Betrachter verführen. Und natürlich flattern durch das Angebot zierliche Schmetterlinge jeglicher Art und in jeglichen Farbtönen, changierend, lebhaft, fröhlich, auffallend oder getarnt. Und die Grünfarben der hier angebotenen botanischen Werke verbinden sich mit unseren Notizen aus Frankfurt, in denen einer geglückten Wiederauferstehung gehuldigt wird.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Wiedergeburt & Neuerscheinung Die Ankunft von Bertl, dem Weihnachtsbaum, vor dem Rathaus auf dem Römerberg gestaltete sich unglücklich. Zahlreiche Fotografen der hiesigen Presse stürzten sich mit ihren Fotobjektiven auf die verkrüppelte Fichte, denn eine klaffende Lücke im buschigen Grün des Baumes aus Österreich wurde nach dem Aufstellen sichtbar. Sollte Bertl doch als „ein Symbol der Hoffnung gegen das Virus“ (Oberbürgermeister Peter Feldmann) bejubelt werden, so musste er nun Hohn und Spott über sich ergehen lassen, ja, er wurde sogar als hässlich und als Gerippe bezeichnet. Doch staunend können wir inzwischen feststellen, dass der beauftragte Baumkosmetiker das Antlitz des Baumes ganz unerwartet retten konnte, vermutlich unter Verwendung größerer Astprothesen. Morgens passieren wir den mit roten Schleifen und Lichtern geschmückten Bertl auf dem Weg zum Antiquariat, bewundern seine Wiedergeburt, beobachten Jung und Alt beim Einwerfen der Weihnachtspost in den gelben Postkasten unterhalb des Baumes und rufen ihm stets ein hoffnungsfrohes "Halleluja!" zu.

Hinweisen möchten wir auf diesem Wege auch auf eine Neuerscheinung mit dem Titel Frankfurt und Umgebung auf historischen Karten aus dem Societäts Verlag. Unter folgendem Link finden Sie die Beschreibung des Buches mit einer Leseprobe: Frankfurt und Umgebung auf historischen Karten

DER POETISCHE FREITAG


Der poetische Freitag
wird mit Erato, der Muse der Liebesdichtung, und ihrer Posaune aus luftigen Höhen angekündigt. Das lyrische Blasinstrument leitet auf dieser Seite fanfarengleich ein:

Lyrik, die Polly betrifft. Sie war am ganzen Körper blond, / soweit sie Härchen hatte. / Bis zum Betthimmel reichte ihr Horizont. / Ihre Seele war scheinbar aus Watte. ­– –  Süße und sehnsüchtige Verse. Ferne! Du vermagst uns nicht zu trennen! / Seelen trennt nicht Berg, nicht Land und Meer. – ­– – Gedichte mit geheimen Botschaften unter Vertrauten. O deine Seele Knabe - perlender Wein - / funkelt aus kühlem Kristall zwischen Veilchenkränzen. ­– – Liebesgedichte, die Spuren hinterlassen. Mein klopfend Herz vor deiner Tür, / Die Fusspur rot im Schnee. – ­– – Verklärte Liebesgedichte. Der blaue Himmel ist nur halb so blau, / Weil du nicht da bist, Liebster. Deine Nähe / Macht, dass ich alles Schöne schöner sehe. / Ich bin doch eine unmoderne Frau ... – ­– – Fragende Gedichte. Jedoch, in wen ist die Rose verliebt? / Das wüßt' ich gar zu gern. – ­– – Gereimte Trennungen. Ich muss dem Leibe nach Dir itzt zwar Abschied geben, / Doch mein Verliebter Geist wird allzeit bei Dir sein. ­– – Exilgedichte. Doch weil dein Herz mir Flut und Ebbe ist, / Hier, diese Muschel, schimmernd wie von Tränen, / Zum Nachmirsehnen. ­– – Postliebesgedichte. Und weiss: Ein Herz, das man schon mal verlor, / Reist nur noch in getragenen Gefühlen./ Und während wir noch einmal "Liebe" spielen, / Bereit ich mich zum nächsten Abschied vor. – ­– – Unerträgliches und Haarsträubendes in Versen. Der Mann: / Hier diese Reihe sind zerfallene Schöße / und diese Reihe ist zerfallene Brust. / Bett stinkt bei Bett. Die Schwestern wechseln stündlich. ­– – Unüberwindliche Lyrik. Die Mauern stehn / sprachlos und kalt, im Winde / Klirren die Fahnen. ­– – Unvergessliche Trauergedichte. Da stieg ein Baum. / O reine Übersteigung! – ­– – Schlesische Reime, in denen es Schermantes gibt. Ach du liebes schèrmantes Katinkel, / Bleib' uns gut ock ein énziges Brinkel. ­– – Einstmals verbotene Gedichte. Männerbraun stürzt sich auf Frauenbraun: / Eine Frau ist etwas für eine Nacht. / Und wenn es schön war, noch für die nächste! ­– – Freundschaftszeilen. Flüchtig sind die Tage der Freude, kaum fühlen / wir sie, so sind sie nicht mehr!  – ­– – Oder ein kritisches Lehrgedicht aus dem Jahre 1549, das auf Änderungen hoffen lässt. Dann es sprach herr Freydangk / Auff erden ist nichts so gar follenkommen / Das es dem wandel sey benommen.

Für die Notizen aus Frankfurt suchen wir im Frankfurter Dom nach poetischen Spuren und mit Pegasus, auch er - wie die Muse - in luftigen Höhen, enden wir diese werbende Einleitung und beginnen die Vielzahl der Angebote mit Friedrich Hölderlin.

 

 

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Frankfurter Dom & Poesie Lyrik lesende Menschen in der Umgebung der Braubachstraße zu finden, haben wir uns schwieriger vorgestellt, doch bereits der zweite Anlauf - nämlich unser Gang zu dem nicht weit entfernten Kaiserdom St. Bartholomäus - war erfolgreich. Der sehr freundliche aus Angola stammende Portier Carlos Feijo mochte uns sogleich zwei seiner poetischen Begleiter anvertrauen. Antonio Agostinho Neto und Fernando Pessoa. Neto war nicht nur Dichter, sondern auch Arzt und in den 70er Jahren erster Staatspräsident von Angola. In der gleichen Zeit sind einige seiner Gedichte in deutscher Sprache erschienen, nämlich im Reclam Verlag in Leipzig und hier in Frankfurt im Röderberg-Verlag. Die Werke des portugiesischen Autors sind der deutschsprachigen Leserschaft vor allem in einer frühen Ausgabe durch den Suhrkamp Verlag sowie aufgrund der zahlreichen Veröffentlichungen durch den Amman Verlag bekannt geworden.
Trotz aller Widrigkeiten, Renovierungsarbeiten und Corona-Virus, kann der Dom besucht werden. Auf der unteren Abbildung sehen wir
eine getönte Lithographie von und nach Domenico Quaglio von 1819. Es ist, so behaupten wir, eine der schönsten Darstellungen des Frankfurter Doms. Die Geräusche der zahlreichen Vögel und die Stimmen der Bürger mögen poetische Qualitäten besessen haben.

DER MEDIZINISCHE FREITAG


Zumeist gruselig aber nicht ohne Faszination sind für uns Illustrationen, die aus dem Gebiet der Medizin stammen: Sägen, Bohrer, Messer und einzelne abgetrennte Körperteile. Anschaulich sind handkolorierte Nervenstränge oder auch roboterähnliche Körperdarstellungen, die aus dem Werk von Hieronymus Fabricius ab Aquapendente von 1666 stammen. Harmlos bis fantastisch wirken hingegen die sogenannten Monster, die unsere Vorstellungen von Außerirdischen genährt haben könnten. 1634 erschien das Buch De Monstrorum natura, caussis et differentiis von Fortunio Liceti. Hier werden Missbildungen und Abnormitäten aufgeführt, die aus der damals zur Verfügung stehenden Literatur vom Autor gesammelt worden sind. Es ist vor allem die naive Vorstellung des Illustrators, der mit diesen Abbildungen das Bild des Menschen auf faszinierende Art  erweitert hat und uns fabelhafte als auch surrealistische Lebewesen zeigt: der selbstbewusste Elefantenmensch lässt eine Fliege auf seinem Rüssel sitzen, das Schaf zeigt unter seiner prächtigen Gurkennase einen ebenso prächtigen Schnurrbart, Rinder fliegen wie Libellen, Libellen wie fliegende Fische, ein anderes Rind hat den Kopf eines bärtigen Gelehrten und ein Hahn gibt mit seinen vielen Beinen an.
Eine weitere sehr seltene Schrift von 1589 ist das Tractat von den aller fürtrefflichen und kräfftigsten Artzney wider allerley gifft, welches der Stein Bezaar ist…, das Wirkungen eines ganz besonderen Steines beschreibt, nämlich des Bezoarsteins. Der Konstanzer Stadtarzt Hieblin betont in dieser Veröffentlichung, dass Rafis, unter den Arabern der Hochgelehrteste, den Stein zweimal probiert und in ihm fürtreffliche Kraft und Tugend gefunden habe. Obwohl sich ebenso Hamech Beneripho und Abdala Marach als auch andere Gelehrte für diesen Stein ausgesprochen haben, konnten wir uns zu einem Selbstversuch allerdings noch nicht entschließen, da dieser gelbfarbige, weiche Stein ein Klumpen aus dem Magen einer Katze oder eines Greifvogels ist, der aus nichtverdaulichen Resten gefressener Beutetiere besteht. So halten wir uns lieber an die Ratschläge von Monsieur Hecquet, um uns vor der Pest und anderen ansteckenden Krankheiten zu schützen. Ausführliche Rezepturen lassen sich nachlesen in Arzney und Chirurgie der Armen aus dem Jahre 1781.

In den Notizen aus Frankfurt erfahren unsere Leser weitere gesundheitsfördernde und vor allem verführerische Maßnahmen, die man bei einem Besuch in der Braubachstraße nutzen kann.

 

 

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Medizin & Schokolade Hier in der Braubachstraße kann man unweit des Tresor am Römer in der Chocolaterie Bitter & Zart filigrane, gemusterte, cremeweiße, samtbraune, romantikblaue, pfefferminzgrüne und vor allem glückverbreitende Pralinen auswählen und erwerben. Schokolade ist gesund und so empfehlen wir nach dem Besuch im Antiquariat den Weg in die Nr.14, wo bereits das Weihnachtsgeschäft angelaufen ist, wie man gut auf den unteren Fotos erkennen kann. Auf dem großen Foto ist die freundliche und zuvorkommende Elle Wagner zu sehen, die seit kurzem dort mit zarten behandschuhten Fingern die empfindlichen Glückskugeln sortiert. Wer einen Ladenbesuch vermeiden möchte, kann auch online auswählen, bestellen, bezahlen und die vorbereiteten Köstlichkeiten ohne langwierigen Aufenthalt abholen.

Im Vorfeld der Antiquariatsmesse Stuttgart, die man 2021 aufgrund der Pandemie virtuell besuchen kann, findet am 25. November 2020 ein Gespräch zwischen Sibylle Wieduwilt und Ingo Schulze über sein letztes Buch "Die rechtschaffenen Mörder", dessen Hauptakteur passenderweise ein Antiquar ist, statt. Dieses Gespräch wird im Internet live mitzuverfolgen sein. Wenn Sie mehr über diese Veranstaltung erfahren möchten, folgen Sie bitte diesem Link: Das Rote Sofa online

DER LITERARISCHE FREITAG


Eine Erzählung mag wie das Leben sein. Dies hätte Wladimir vermuten können, als Lucidor gekleidet im Morgenrock von Arabella und in Gestalt von Lucile auf ihn zustürzte. Schließlich ist er eine literarische Figur, ein Protagonist in Hugo von Hofmannsthals Erzählung Lucidor.
Die Literatur, so ist man geneigt zu resultieren, scheint ein Wunderstab zu sein. Auch aufgrund dieser Eigenschaft wird die heutige Freitagsseite dem Thema der Literatur gewidmet sein und wird angeführt von einem außerordentlichen Prosastück über die Liebe, rasantes Glücks- und Unglücksempfinden, Täuschung und Enttäuschung - mit einem offenen Ende, das des Lesers Gedanken in seine Realität und vermutlich wieder zurück führt. Denn die Illustrationen von Karl Walser, die sich hier dem Betrachter als Originalradierungen anbieten, laden den Leser ein, zu verweilen und seine Vorstellungskraft in Bewegung zu setzen zwischen den Sätzen des Autors, den Figuren des Illustrators und den eigenen Erfahrungen. Warum Lucidor eigentlich Lucile ist und die seltsamen Umstände, durch welche “sich die ganze Schönheit einer bedingungslos hingebenden Seele, wie Luciles” enthüllen konnte, erfahren wir vor allem in der ersten ansprechend gestalteten und von Karl Walser illustrierten und signierten Ausgabe von 1919.
Im gleichen Jahr, nämlich dem nach dem Ende des die Menschen aufwühlenden Ersten Weltkrieges, erscheint Robinson Crusoe von Daniel Defoe mit 85 teils ganzseitigen Lithographien von Richard Seewald. Diese expressionistischen Illustrationen zeigen überzeugend den Menschen in seiner Einsamkeit, zurückgeworfen auf seine bloße Existenz, eingefügt in die Natur neben Ziegen, Katzen und Papageien in einen Strichrhythmus, der auch durch seinen sensiblen Duktus verführt.

Der stämmige und meistens nach Knoblauch riechende Tartarin von Tarascon hingegen begibt sich in dem Roman Tartarin in den Alpen freiwillig in eine extreme Situation, die beinahe mit einer Katastrophe geendet wäre. Während des ereignisreichen Abenteuers wird Sonia, in die er sich verliebt hat, des Mordes verdächtigt, fällt er, der Beleibte, den Nihilisten in die Hände und begegnet zudem einem Schüler Schopenhauers. Nur ein Jahr nach der französischen Erstausgabe erschien diese deutschsprachige, in einer Vorzugsausgabe gebunden in einem roten Halbledereinband. Alphonse Daudet hat seinen sympathischen Helden mit seinen neuen Ruhmestaten humorvoll geschildert und in Frankreich ist er eine Art Volksfigur geworden. Doch seien Sie auf der Hut, wenn jemand zu Ihnen sagt: “Sie sind ja ein richtiger Tartarin!” Es könnte sein, dass er Sie indirekt als Angeber bezeichnet. Wir empfehlen die Lektüre des Romans, bevor eine Antwort gegeben wird.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Antiquariat & Kino In Frankfurt in dem Arthouse Kino Cinéma ist der Film The Booksellers trotz aller Widrigkeiten angelaufen. Am Samstag, den 31.10.2020, um 17.45 Uhr wird Sibylle Wieduwilt (Inhaberin dieses Antiquariats und Vorsitzende des Verbandes Deutscher Antiquare) den Film einleiten und wird nach der Vorführung gerne eventuelle Fragen des Publikums beantworten.
Heute findet in Stuttgart im Arthouse Kino Atelier am Bollwerk eine Sonderveranstaltung mit anschließendem Filmgespräch mit Sibylle Wieduwilt, Max Neidhardt (Inhaber des Antiquariats Neidhardt) und in der Moderation Prof. Dr. Wulf D. von Lucius (Vorsitzender der Maximilian Gesellschaft) statt. Die Filmvorführung beginnt um 18.00 Uhr. Zudem wird der Film in mehreren deutschen Städten noch an diesem Wochenende in Arthouse Kinos zu sehen sein.

Der amerikanische Dokumentarfilm zeigt weibliche und männliche, verstaubte und sportliche, unsportliche und entstaubte, intellektuelle und intuitive, bebrillte und brillenlose, witzige, nachdenkliche, spleenige und vor allem interessante Buchhändler in ihren Antiquariaten, auf den Messen, bei Kunden, in den Straßen New Yorks, meistens zwischen Büchern. Wir werden in dem Film von D.W.Young zudem unterhaltsam über die Büchersammelleidenschaft informiert, über Probleme und Verdienste des Antiquariatswesens. Immer wieder kann man in den 99 Minuten erstaunt und begeistert sein über die Vielfalt des antiquarischen Metiers und dessen atmosphärische Dichte, die dieser Film transportiert.

Das Foto zeigt die Tür des Tresor am Römer und unter dem Plakat vier zum Ladengeschäft gehörende Beine, die stets bemüht sind, den Kunden möglichst seltene und wertvolle Bücher flinken Schrittes näherzubringen.

DER FRANKFURTER FREITAG


Im Tresor am Römer, gelegen in der Frankfurter Innenstadt, zwischen Paulskirche, Fisch-Franke und dem Angel-Bär, in der Straße, wo einst der Braubach gluckste, sind wir in Maria Belli-Gontards Leben in Frankfurt am Main auf einen Hinweis vom Januar 1801 gestoßen, der unsere Aufmerksamkeit erregt hat, nämlich auf eine Empfehlung für ein Buchgeschenk. Die Kunst hübsche Männer zu fischen entzückt das weibliche Publikum in der Braubachstraße und entfacht so seine Neugierde. Wir sehen uns geneigt aus den beiden Bänden der Dame Belli-Gontard, in denen gesammelte Auszüge der Frag- und Anzeigungs-Nachrichten (des Intelligenz-Blattes) von ihrer Entstehung an im Jahre 1722 bis 1821 zu finden sind, zu zitieren, um das Interesse der Leserschaft zu wecken. So finden wir am 20.August [sic!] 1749 den Eintrag zu der Geburt von Joh.Wolffgang Goethe, dem umgehend eine Korrektur folgt: Der Setzer hat eine Null statt eines Neuners ergriffen ... Nun ist auch dieser Tag umstritten und scheint nicht ganz richtig zu sein, aber interessant ist diese Fußnote, zumal dort u.a. aus dem Nähkästchen geplaudert wird, nämlich dass die erste Flamme des Knaben Gretchen war, Tochter des Wirthes in Offenbach ... . Weitere Vorkommnisse ereigneten sich ebenso am 7.Januar 1766, nämlich des Abends auf der Zeil nächst der Schäfergaß, eine Kätzin von allerley Farben ... mit einem spitzen Kopf ... verlohren worden war ... außerdem wurde 1801 eine Empfehlung zur Nutzung der öffentlichen Badeanstalt von 22 Frankfurter Ärzten, darunter Dr. Sömmering, Dr. Huschke und Dr. Melber, veröffentlicht, deren Anzahl der Unterzeichner die Wichtigkeit des Themas vermuten lässt. Schließlich finden wir im Frühling 1820 eine Anzeige für ein großes Conzert des Geigers Alexander Jean Boucher, einer der merkwürdigsten Violinspieler neuerer Zeit, präludiert und begleitet von seiner Gattin. So unscheinbar diese vermischten Notizen auch erscheinen, so sehr können sie das Leben in Frankfurt in unserer Vorstellung bereichernd beleben. Der Blick der unten aufgeführten Reiseführer aus den Jahren 1836, 1840, 1843 oder die Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes der Freien Reichs-Wahl und Handels-Stadt Franckfurt am Mayn von 1747 sind ganz anderer Art und mit werbenden Kupferstichen ausgestattet, die nicht nur Gebäude zeigen, sondern auch die Ariadne, kühne Bezwingerin des Animalischen, die das Frankfurter Kunstbewusstsein ungemein erweitert.

Erwähnt werden sollte, dass hier nur ein geringer Teil unseres Frankfurtbestandes gezeigt werden kann, wir uns aber freuen würden, Sie im Laden begrüßen zu dürfen, in der Braubachstraße, wo mitunter noch gefischt wird, zumindest nach chevaleresken Männergestalten.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Stadtführung & Karneval Für Stadtführungen in der neuen Altstadt in Frankfurt, also unweit des Tresor am Römer, ist auch die Historikerin Silke Wustmann zuständig. Aufgrund der neuen Situation, die durch das Corona-Virus hervorgerufen wurde, bietet sie u.a. Führungen für kleine Gruppen mit einer Teilnehmerzahl von höchstens 10 Personen an. Silke hat hier im Antiquariat vor zwei Jahren zur Eröffnung der wiederaufgebauten Altstadt aus ihrem Buch Frankfurter Liebespaare vorgelesen und daher wissen wir, wie lebendig und witzig ihr Vortragsstil ist. Neben Führungen zu Frankfurter Märchen und Sagen, Königen und Kaisern sieht man sie auch häufig Gruppen, die kulinarisch interessiert sind, durch die Straßen und Gassen führen. Auf dem Foto sehen wir sie auf dem Hühnermarkt vor Friedrich Stoltze, wo sie das bildungshungrige und dankbare Publikum informiert. Im Hintergrund erahnen wir - etwas klein aber doch erwähnenswert - das Prinzenpaar, seine Tollität Jonas I. und ihre Lieblichkeit Sandra I., das - und dies ist eine aktuelle Mitteilung des Grossen Rates der Karnevalsvereine Frankfurt am Main e.V. - wegen der Corona-Situation 2021 nicht bei einer Sitzung inthronisiert werden kann. Dies ist tatsächlich eine Novität für die Frankfurter. Aber glücklicherweise bleibt uns noch die wohlschmeckende Frankfurter Grüne Soße - hier auf einer ansprechenden Postkarte zu sehen.

DER FLIEGENDE FREITAG


Schillernde Flügelschuppen, Federn in intensiven Farbtönen und wiederum der farbliche Nuancenreichtum der Käferalae rufen Staunen hervor, und die Buchveröffentlichungen wetteifern mit besonders detailreichen Darstellungen und strahlenden Farbaufträgen um Aufmerksamkeit. Zu den Prachtwerken der Ornithologie des 19. Jahrhunderts gehört die Iconographie des Perroquets von Charles de Souancé, die 48 Tafeln in Groß-Folio mit wunderschönen Papageiendarstellungen zeigt. Die sensible Kolorierung weist zarte und doch leuchtende Grüntöne einer breiten Farbpalette auf, die durch die Höhung mit Eiweiß noch intensiver wirkt. Nicht nur die Leichtigkeit und Schönheit dieser handkolorierten Lithographien sei erwähnenswert, sondern auch die naturwissenschaftliche Bedeutung dieser Veröffentlichung, wurden hier doch bisher unbekannte Papageienarten beschrieben. Fast 130 Jahre zuvor ist die dritte holländische Ausgabe der Metamorphosis Insectorum Surinamensium von Maria Sibylla Merian in Amsterdam erschienen und wir sind sehr stolz darauf, dieses berühmte Werk zusammen mit dem Blumenbuch und der Raupen wunderbare Verwandlung in der ersten holländischen Ausgabe anbieten zu können. Das Format in Groß-Folio, die umfangreiche Anzahl der Kupfertafeln, die künstlerische Umsetzung der Metamorphosen, die wissenschaftliche Pionierleistung, die Gefahren, die die Tochter des Kupferstechers Matthäus Merian mit 54 Jahren auf sich genommen hat, um in dem weitgehenst unzivilisierten Land Surinam zu forschen, machen dieses Objekt zu einem bestaunenswerten und imposanten Kunstwerk der Entomologie. Unverkennbar ist ihre künstlerische Handschrift, die sich zudem mit ihrem naturwissenschaftlichem Wissen vereint.

In der Angebotsliste verbergen sich auch Überraschungen - so gibt es ein Buch der Historiae naturalis aus der Mitte des 17.Jahrhunderts, das ein Kapitel über Drachen mit Flügeln enthält. Den Zweiflern von der Existenz des draco alatus möchten wir die Kupferstiche empfehlen, die uns die zahnreichen, schuppigen Tiere vor Augen halten und im lateinischen Text ihre Herkunft verraten.

Heiterkeit löst der Hut des Zeichners Tomi Ungerer aus. Mit seiner rosafarbigen Schleife fliegt er von dem Kopf eines reichen Mannes zu dem eines einbeinigen und bettelarmen Veteranen, dem er Glück bringen wird, denn Benito Badoglio wird eine ohnmächtige Prinzessin retten - "Wer seid Ihr, mutiger Retter?" - und die beiden werden heiraten. Auf der Fahrt in die Flitterwochen fliegt der Hut davon und die Prinzessin sagt: "Lass ihn fliegen, caro mio." Wir sind uns sicher, dass er hier in Frankfurt landen wird und gehen suchend mit Blick gen Himmel durch die Innenstadt. In den Notizen aus Frankfurt können Sie lesen, was wir entdeckt haben.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Brickegickel & Fliegenfischen Auf der Suche nach Vögeln oder Fliegendem streben wir - indem wir den Hühnermarkt passieren - zuerst die Alte Brücke an, auf der der Brickegickel sitzt. Das arme Tier ist vom betrogenen Teufel zerrissen worden - so erzählt man es sich noch heute in Frankfurt am Main. Denn ein Baumeister, der sich vom Teufel helfen ließ, indem dieser Übermenschliches leistete, wollte ihm anstatt der ersehnten Menschenseele die Seele des Hahns andrehen. Der Brickegickel, der heute für Diebe unerreichbar in Bronze und mit einer Goldschicht überzogen auf einer hohen Stange hockt, hat es im Laufe der Jahrhunderte in der Tat schwer gehabt. 1434 ist er beim Sturm ersoffen, 1635 von Schweden abgeschossen worden, 1739 unter der eingestürzten Brücke versunken, 1945 wurde er von der Wehrmacht bei der Sprengung der Brücke in die Fluten befördert, 1992 ist er schließlich gestohlen worden. Nun lebt der goldene Hahn also sein sechstes Frankfurter Leben. In der Braubachstraße gehen wir zum Angel-Bär, der neben Angelutensilien auch Kurse zum Fliegenfischen anbietet. Auf dem Foto können wir den Inhaber Jörg Kraft sehen, der auf unseren Wunsch hin den schillernsten Köder (ohne Widerhaken!) zum Fliegenfischen aus einer Schublade geholt hat. In der Regel fliegt ein viel kleinerer, eben fliegengroßer Lockköder möglichst weit, zielgerecht und vor allem kunstvoll über das Wasser, um eine Forelle anzulocken. Im Odenwald hat Herr Kraft hierzu einen kleinen Fluss gepachtet, wo der Forellenbestand nachhaltig gepflegt wird. Der Main ist zum Fliegenfischen leider nicht geeignet.

DER PHILOSOPHISCHE FREITAG


Philosophische Schriften wurden und werden häufig ohne ästhetische Lockmittel präsentiert. Der philosophische Freitag versucht sich heute durch Zuhilfenahme von dekorativen Stadtplänen und Ansichten auf die Spuren von Philosophen aus unserer Angebotsliste zu begeben. Vor dem Anatomieturm in Jena wird angeregt diskutiert, in Weimar zeigt uns das Wasser der Ilm die gespiegelte Welt, in Frankfurt können wir der damals sehr modernen Häuserzeile am Main folgen, um am Gebäude mit der Wohnstätte von Arthur Schopenhauer innezuhalten. Was mag er gesehen haben, als er Parerga und Paralipomena schrieb? Die Alte Brücke mit seinen Zeitgenossen oder eine verirrte weibliche Ameise auf seinem Fensterbrett? Im Angebot befindet sich die seltene erste Ausgabe dieser seiner kleinen philosophischen Schriften und Sämtliche Werke aus den Jahren 1911-1913, in denen man über u.a. Die Welt als Wille und Vorstellung, Über den Willen in der Natur, Über das Sehen und die Farben und Über die Verhunzung der deutschen Sprache lesen kann. Auch die Ansicht von Weimar bietet sich an, denn von Friedrich Nietzsche sind erst kürzlich die zwei Bände Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister in unser Angebot aufgenommen worden. Der 1.Band ist aus der raren ersten Ausgabe, die in nur ca. 450 Exemplaren verkauft worden ist. Auf Veranlassung seiner Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche sind die Gesammelte(n) Werke in der sogenannten Musarionausgabe herausgegeben worden und empfehlen sich ebenfalls in der Liste. G.W.F. Hegel, der vor 250 Jahren geboren wurde, wird mit seiner Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse und in einem Text über den Einfluß des Hegelschen geschichtsphilosophischen Schemas von Leopold von Henning bedacht. Desweiteren sollte an dieser Stelle auf mehrere Titel - zumeist in ersten Ausgaben - von Johann Gottlieb Fichte hingewiesen werden. Dank seines Aufenthaltes in Berlin, können wir den Plan mit der integrierten Gesamtansicht der Stadt zeigen. Der Kupferstich ist um 1740 bei Homann Erben gestochen und gedruckt worden und präsentiert sich in altem Kolorit und in einem äußerst dekorativen Erscheinungsbild.

In den Notizen aus Frankfurt haben wir uns in Richtung Main auf die Spuren von Arthur Schopenhauer begeben und sind sogar einem Pudel begegnet, der leider ein griesgrämiges Gemüt besaß und unsere Anfrage nach einem Foto entschieden ablehnte. Glücklicherweise haben wir noch ein alternatives Pudeltier entdeckt.

 

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Frankfurts Bibliothek & Schopenhauers Pudel Gülden schimmern die Buchstaben über die Straße hinweg zum Main: Litteris Recuperata Libertate Civitas. Dank Arthur Schopenhauer können wir seit 81 Jahren eine fehlerfreie Inschrift auf der alten Bibliothek lesen. Die vorherige ist nach der Fertigstellung 1825 von dem Philosophen als eine Verunzierung in Küchenlatein mit drei Fehlern entpuppt worden. Die Stadt hat also, so erfahren wir, nach Wiedererlangung der Freiheit das klassizistische Gebäude den Wissenschaften gewidmet. Im Zweiten Weltkrieg ist es fast komplett zerstört worden. Inzwischen befindet sich das Literaturhaus in der rekonstruierten Bibliothek. 
Der Pudel - Schopenhauer besaß stets einen - der kürzlich in den Straßen von Frankfurt promenierte, ließ sich, wie bereits oben erwähnt, leider nicht ablichten. Ganz unerwartet können wir aber einen Pudel aus dem Jahre 1827, also einen Zeitgenossen des Philosophenpudels, abbilden. Wir sehen ihn hier mit seinem Kumpel, dem Mops. Der Pudel hat übrigens den lateinischen Namen canis aquaticus, also Wasserhund, weil er einen Hang zum Baden hat. Vermutlich kommt daher auch die Bezeichnung des begossenen Pudels und so stellen wir uns vergnügt vor, dass der Philosoph und sein Pudel gemeinsam im Main baden gegangen sind.

DER FRANZÖSISCHE FREITAG


Heute eröffnen die beiden jungen Franzosen, der gute Toto und der böse Tom, unseren französischen Freitag. Le Bon Toto et le Méchant Tom ou la Journée de Deux Petits Garçons ist eine sogenannte Struwwelpetriade von Louis Ratisbonne, ein Autor des 19.Jahrhunderts, dessen Kinderbücher unter dem Pseudonym Trim erschienen sind. Monsieur Ratisbonne war anscheinend auch an deutscher Literatur interessiert - so gibt es Texte von ihm über Heinrich Heine und zudem hat der Struwwelpeter von Heinrich Hoffmann - dank seiner französischen Übersetzung - 1860 das Pariser Licht erblickt. Der böse Tom hat sich jedenfalls nicht vom deutschen und bitterbösen Friederich beeindrucken lassen, der ja bekanntlich aufgrund eines rächenden Hundebisses am Bein stark gelitten hat. Nein, Tom verschüttet das Frühstück, er ist fürchterlich dreckig, unordentlich, zänkisch, widerspenstisch - doch in der Nacht wird er seine Strafe bekommen, denn Alpträume und deren fiese Geister werden ihn plagen, während der gute Toto im Schlaf von einem Engel begleitet wird… Beruhigt können wir, die wir artig waren, nun den Beschreibungen der Katakomben in Paris von Héricart de Thury folgen. Dieser Ausgabe von 1815, die bereits durch das Thema besticht, sind zwei Briefe beigebunden, die aus der Feder des Autors stammen, der nebenbei bemerkt passenderweise ein Fan von Gothic Novels war. Der Empfänger der Briefe, Hardouin Michelin, dessen Namenseintrag wir auch auf dem Vorsatz finden, hat sich als Paläontologe ebenso wie Monsieur de Thury für Ausgrabungen und für die Société d‘encouragement pour l‘industrie nationale interessiert.


Geglückt erscheint uns an dieser Stelle der Blick auf die Aufklärungsschrift über Newton von Voltaire. Die Elémens de la philosophie de Neuton werden hier in einer für das französische Rokoko typisch gestalteten Ausgabe angeboten, die neben zahlreichen Textkupfern auch das berühmte Porträt dieses überaus wichtigen Aufklärers Voltaire beinhaltet. Folgen kann an dieser Stelle die Französische Revolution und Die Pariser Jacobiner in ihren Sitzungen, die damals ganz aktuell im Jahre 1793 erschienen sind. 1804 hat Johanna Schopenhauer, Mutter des Philosophen, eine Fahrt durch Frankreich unternommen. Die Reise von Paris durch das südliche Frankreich bis Chamouny zeigt nicht nur die schönen Dinge des damaligen Landes, sondern weist den Leser auch auf die Schmutzkörner hin, doch “jetzt bog der Wagen um eine Ecke und wir befanden uns mitten auf den Boulevards. Die artigen Häuser, zum Teil mit Gärtchen davor, die vielen Buden, die Zelte, die von schönen Bäumen eingefassten Alleen, das lustige Gewimmel der Spazierengehenden und Fahrenden, alles zeigte sich so lebendiger, als es schönes Wetter und obendrein Sonntag war …”.

Heute am Freitag in Frankfurt ist es nicht ganz so wunderbar wie sonntags in Paris, doch in den Notizen aus Frankfurt können wir auf einen Stand mit einem berühmten französischen Milchprodukt hinweisen, das mitunter über einen façettenreichen Geschmack verfügt und einen starken Geruch ausströmt.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Bouygette & Galletout In der Kleinmarkthalle finden wir von der Braubachstraße aus gesehen das nächste französische Produkt, nämlich den allseits geliebten französischen Käse am Stand von Mika am Markt. In der Mittagszeit herrscht reger Verkehr von suchenden hungrigen Kunden, die mit ihrem Mundschutz und knurrendem Magen an den zahlreichen Händlern vorbeiziehen. Stefan Beißler führt das internationale Sortiment vor und erläutert unsere Fragen zu dem auffällig geformten Ziegenkäse aus der Provence. Der Bouygette de Chèvre reift nämlich auf Farnblättern heran und erfreut den Käseliebhaber mit einem besonders milden Geschmack, der auch mit Honig oder Konfitüre begleitet werden kann. An einen gewölbten Kiesel aus der Dordogne erinnert der Galletout, ein Ziegenkäse aus dem Ort Cazillac. Überzogen ist die dünne Rinde von einem weißen, feinen Flaum, dessen Farbe Gourmets und Wortsuchende ein Galletoutweiß finden lassen. Und der sanfte, leicht säuerliche als auch frische Geschmack wird heute unseren französischen Freitag krönen.

DER IN HOLZ GESCHNITTENE FREITAG

Staunen. Applaus. Ein Zirkuspferdchen in Orange, Federn auf dem Pferdekopf schmücken in Blau, ein zarter Zirkusartist mit orangenen Bäckchen, blaue Stirnfalten in dicker Linie geschnitten, kreiselnde Linien zeigen die Zirkusarena so ungelenk in der Linienführung wie intensiv im Ausdruck. Der Brücke-Künstler Erich Heckel zeigt uns hier seine expressionistische Kunst in originalen Holzschnitten auf Vor- und Nachsatz der ersten Monographie über ihn. Die komplementäre Farbgestaltung und das lebendige Motiv haben uns dazu verführt, das Thema des heutigen Freitags, nämlich das des Holzschnittes, fanfarengleich einzuleiten. So folgt die Inkunabel von 1498 erst an zweiter Stelle, obwohl sie nicht nur als erste im deutschen Sprachraum gedruckte Horazausgabe beeindruckt, sondern ebenso durch ihre 167 Textholzschnitte. Diese illustrieren den Text nicht nur, denn zusammen mit der Typographie formen sie als gestaltendes Element den Inhalt, ja agieren miteinander, sich gegenseitig fördernd. Diese Ausgabe ist in der Tat ein herausragendes und geglücktes Beispiel für die experimentierfreudige Frühphase der Buchgestaltung. 33 Jahre später erschien die erste deutsche Ausgabe der Officia von Cicero, die mit über 100 Holzschnitten von H.Weiditz und auch Burgkmair bereichert ist und in der der Betrachter mitunter ungewohnte Motive in harmonischer Schraffurentechnik entdecken kann. Zu begeistern vermag Das Kestnerbuch von 1919, das wiederum expressionistische Originalgraphik birgt, darunter auch Holzschnitte von L.Feininger und E.Heckel, oder die Künstlerbücher von HAP Grieshaber, die durch ihre Formengroßzügigkeit auffallen. Es soll auch hingewiesen werden auf das in Holz geschnittene Dornröschen in weichen fließenden Linien und den Königssohn, der - ebenso fließend umrandet - so chevaleresk, so sanft und kühn die Schlafende befreiend wachgeküsst hat und sich der Eindruck verstärkt, dass die Prinzessin ohne die geglückten Holzschnittillustrationen von Alfred Zacharias noch heute schlafen würde.


Unsere Notizen aus Frankfurt führen heute in die hölzerne und heitere Figurenwelt der Braubachstraße.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Der hölzerne Zirkusclown aus dem Erzgebirge Passend zu der Zirkusarena von Erich Heckel haben wir in dem Antiquitätengeschäft Magus hier in der Braubachstraße 26, also nur wenige Schritte entfernt vom Tresor am Römer, einen Clown aus Holz entdeckt, der mit zu kurzen Hosen, seiner für die Mundöffnung zu kleinen Zigarre, einer zu großen Fliege, der roten Nase und seinen aufgerissenen Augen nicht nur bei den vielen asiatischen Touristen Heiterkeit ausgelöst haben mag, sondern inzwischen die inländischen Urlauber anzieht und ihnen ein Lächeln wenn nicht gar ein Lachen entlockt. Der musikalische Clown wurde in den 1990er Jahren im Erzgebirge gefertigt, hat einen sehr guten Erhaltungszustand und kann für 48.- Euro erworben werden. In den Tiefen des großflächigen Ladengeschäftes kann man auch ein hölzernes Schaukelpferdchen entdecken, andere lustige Holzfiguren aus dem Erzgebirge, Möbel, Geschirr und zarte Porzellanfiguren aus unterschiedlichen Ländern und Zeiten, unterhaltsam arrangiert; so können wir im Schaufenster Louis Bonaparte, von empfindsamen Händen koloriert, in heldenhafter Pose auf seinem rassigen Schimmelhengst bewundern, der sich neben einem zahnschmerzgeplagtem Terrier aufbäumt, ebenfalls aus Porzellan, mit einem roten Tuch, das um Kiefer und Kopf schmerzlindernd gebunden ist. Behütet wird das umfangreiche Sortiment heute von der frohgemuten Inhaberin, Maria-Luisa del Alamo, die wir auf dem unteren Foto hinter einer Kunststoffscheibe sehen können - geschützt vor dem hinterlistigen Corona-Virus.

DER BLÜHENDE FREITAG


Die Zwiebel einer Feuerlilie in der Handtasche oder in der Hosentasche kann ungemein vorteilhaft wirken - vor allem als Liebeszaubermittel. Um diesen Volksglauben zu illustrieren, stellen wir an diesem blütenreichen Freitag auch die farbprächtige Feuerlilie, flankiert von zwei Veilchen, aus dem Hortus Eystettensis vor. Das Lilium cruentum flore pleno zieht den Betrachter nicht nur durch seine dargestellte Größe und das strahlende per Hand aufgetragene Kolorit in den Bann, sondern verführt mit ihren voluptuösen barocken Formen. Die Grünblätter wie die Blütenblätter und die Stempel scheinen sich zu bewegen und locken so den Interessierten immer näher an sich heran. Geradezu magisch verführt werden wir von der seltenen Sonnenblume, die ebenso aus dem Garten von Eichstätt stammt und im Angebot aufgeführt wird. Die züngelnden gelben Blüten, die detaillierst in Kupfer gestochenen Röhrenblüten in der Mitte verführen gleichermaßen durch Plakativität und durch Detailtreue. Die Kupferplatten der beiden Kupferstiche stammen aus dem erstmals im Jahre 1613 erschienenen Hortus Eystettensis und unterstreichen die Ausnahmestellung dieses Werkes, das sich im außergewöhnlichen sogenannten Königs-Folio präsentiert und mit der Schönheit der botanischen Abbildungen besticht. Basilius Besler erhielt von dem Fürstbischof von Eichstätt den ungewöhnlichen Auftrag, den Garten in Buchform wiederzugeben. Der Titel der Veröffentlichung übertreibt nicht, wenn er eine sorgfältige und genaue Aufzeichnung und naturgetreue Darstellung aller jener mit einzigartigem Fleiß aus den verschiedenen Erdteilen zusammengetragenen Pflanzen, Blumen und Bäumen verspricht.

Auf den Kupferstichen eines anderen Prachtwerkes, der Flora Londinensis von William Curtis, bemerken wir neben den Pflanzendarstellungen, wiederum sorgsam handkoloriert, feine kleine Blütenteile, nämlich Staub- und Fruchtblätter, die dem erst 40 Jahre alten revolutionären Ordnungssystem von Carl von Linné folgen. Die zwei Foliobände, erschienen 1777-1798, sind ebenso umfangreich wie gewichtig in Bedeutung als auch in ihrer Gestalt. Hat man erst einmal einen Band auf den Tisch gewuchtet, kann man sich selbst als Laie nicht mehr von den filigran gestochenen und kolorierten Plants - die Texte sind nicht nur in Lateinisch sondern auch in Englisch verfasst - rund um London lösen. Desweiteren schätzen wir uns glücklich unseren Kunden eine Ausgabe über das Pflanzenreich des Pariser Umlandes vorstellen zu können. Der wunderschön gebundene Band Flore pittoresque des environs de Paris von A.Vigneux aus den Jahren 1812-1814 ist nicht minder reizvoll in der Gestaltung der 69 Kupfertafeln. Wiederum begegnen wir der Natur formen- und farbenreich, ahnen und sehen Veränderungen in der Darstellungsweise im Laufe der Jahrhunderte.

In unseren Notizen aus Frankfurt können Sie bei Samen Andreas einen kleinen Blick auf die vielen Samentütchen werfen, die mitunter merkwürdige Blumensorten bergen.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Schwarzäugige Susanne & Mimose Rühr mich nicht an Unweit der Kleinmarkthalle befindet sich das Geschäft Samen Andreas in der Töngesgasse, das bereits in der fünften Generation als Familienunternehmen besteht. 1868 wurde es gegründet und bietet u.a. ein wahrlich umfangreiches Sortiment von für uns heute interessanten Blumensamen in grellbunten Tütchen an. So gibt es die Samen der einjährigen Mimose Rühr mich nicht an als auch der faszinierenden Passionsblume neben der Schwarzäugigen Susanne. Auf dem Foto lächelt uns Nils Andreas freundlich unter seinem Mundschutz und vor seinem Samensortiment zu, die Werbung auf der unteren Abbildung stammt aus dem Jahr 1904.

Wahrscheinlich fragen sich unsere Kunden jetzt, ob die liebesfördernden Zwiebeln der Feuerlilie noch angeboten werden. Nachdem wir unsere Handtaschen gefüllt haben - man weiß ja nie, ob man einem heldenhaften und vor allem schönen Cavaliere begegnet - mussten wir allerdings erfahren, dass die begehrten Zauberzwiebeln nun ausverkauft sind. Eventuell gibt es im September wieder neue Beutelchen.

DER HESSISCHE FREITAG


Wer auf die Suche geht, wird in dem Angebot "Der hessische Freitag" so manches interessante Detail finden. Neben den Märchensammlungen der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, in denen man u.a. über eine abenteuerlustige Bohne lesen kann, die vor Lachen platzt - aber keine Angst, denn sie wird gerettet -, kann auch wahrlich abenteuerliche hessische Geschichte entdeckt werden. In "Beiträge zu der Geschichte der Ritterburgen und Bergschlösser in der Umgegend von Frankfurt am Main" von Friedrich Philipp Usener werden wir informiert über Irrungen, Verlobungen, Beerbungen, Stiftungen, Besitzungen, Vermählungen, Vergrößerungen, die nicht immer konfliktfrei vonstatten gingen. Beleidigte bezichtigten Schelme "... du recht dypscher, falscher, erloser Mörders, Straßenreybers, Lügners, Böswicht ..." und ein Ritter jagte den anderen durch Bergen, Bommersheim, Münzenberg, Falkenstein, Königstein, Eppstein, Bad Vilbel, Reiffenberg, Hattstein und Kronberg, der Landvogt den Burgvogt, der Junker den Landmann, der rauhe Ritter zu O. schließlich besiegt von dem besonders mutigen und anmutigen Ritter A. ... Namen, Zahlen, Jahre sind detailliert von dem kundigen Juristen und Heimatforscher Usener aufgeführt. Wiederum von Jacob Grimm finden Sie hier ein Grundlagenwerk zur historischen Betrachtung des deutschen Rechts. Weitere Rechtsfälle, so der Streit zwischen den Grafen Isenburg, den Grafen von Schönborn und der Reichsstadt Frankfurt um ihre Jagdrechte im Dreieicher Wildbann, bespickt mit Urkunden und Beweisen werden für Juristen interessant sein, als auch die Rechtsgeschichte der Wetterau von Friedrich Thudichum und eine weitere Abhandlung über das Recht in der Dreieich von Friedrich Scharff.

Freunde des Taunus können durch unser grafisches Angebot flanieren. Künstlerisch wurde diese landschaftlich reizvolle Gegend Ende des 18.Jahrhunderts entdeckt und hat auch den Frankfurter Künstler Anton Radl angezogen, der hier mit einer großformatigen und ungewöhnlichen Darstellung von Schlangenbad vertreten ist, die er aus dem Dickicht gesehen und diesen Blick mit auffällig gewachsenen Bäumen flankiert, gezeichnet hat. Zwei kleinformatigere Ansichten von Fritz Wucherer, der der Kronberger Malerkolonie angehörte, können hier bereits die Charakteristik seines künstlerischen Stiles andeuten, für Interessierte würde sich allerdings der Besuch im Tresor am Römer lohnen, der über ein umfangreiches Angebot von Grafik und auch einigen Originalzeichnungen dieses Künstlers verfügt.

 

Neugierige Nichthessen können in unseren Notizen aus Frankfurt ein originales Handkäsdippsche sehen und ein außergewöhnliches Marzipanprodukt.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Handkäsdippsche & Marzipanhandkäs Direkt am Eingang der Kleinmarkthalle gelegen, findet man in der Frankfurter Innenstadt den beliebten Hessenshop, in dem es ausschließlich begehrte hessische Spezialitäten gibt. Zu entdecken sind Gläser mit Senf der 80jährigen Fraa [sic! hessisch!] Schreiber, die in der Markthalle ihre Würstchen verkauft und mit einem Porträtfoto, lachend, das Etikett belebt, das beliebte blau-weiße Bembel-Fahrradtricot als auch Ebbelwoi-Duschgel, fruchtig nach Äpfeln duftend, sowie Fanartikel der Frankfurter Eintracht. Eine Kundin verrät, dass sie für Geschäftsreisen in die ganze Welt gerne hier ihre Präsente kauft, die kämen immer sehr gut an. Das Handkäsdippsche aus exklusivem Steinzeug, in dem der mit Zwiebeln verfeinerte Handkäs zu Hause für das Abendbrot serviert wird, ist leider bereits ausverkauft und nur noch im Geschenkkorb, hier von der freundlichen Mitarbeiterin präsentiert, erwerbar. Desweiteren sehen wir im Vordergrund sogenannte Behelfsmasken mit unterschiedlichen lustigen und vor allem hessischen Aussprüchen wie "Hammersbald?" oder "Gude!". Im Hintergrund erahnen wir Goethe mit aufgesetzter Schirmmütze "Make Frankfurt great again". Auf dem unteren Foto können wir wiederum Handkäs mit Musik und mit einer Scheibe Brot beäugen, um schaudernd festzustellen, dass es sich um täuschend echte Marzipanprodukte handelt, die es bestimmt nur hier in Hessen gibt.

DER TIERISCHE FREITAG


Regenwürmer zog es lang
Grillen hetzt es angst und bang

Käfer grub es köpflings ein

zog die Spinne an dem Bein ...

 
Heute beginnen wir den Freitag mit Versen zu Mäuselchen, dem Tierquäler und lenken so den Blick auf die lustigen aber auch maliziösen Reime und Illustrationen zu Der Thierstruwwelpeter aus dem Jahre 1887.

Zur Erheiterung unseres Freitagsgemüts sei hier zudem eine der netten Geschichten aus dem Buch, nämlich von dem ungeschickten aber tanzfreudigen Elefanten Hans Taps zitiert, der es sich nicht nehmen lässt, auf einem Ball im Senegal sein Elefantentanzbein zu schwingen.
 
Kaum kehrte er zum Senegal,

Gab sein Herr Vater einen Ball,

wozu die Vettern und die Tanten

und alle Rüssel-Anverwandten,
sowie die ganze Nilpferdschaar 

sehr höflich eingeladen war.

Hans Taps sucht aus dem Damenflor

das schönste Fräulein sich hervor,
Ein zartes Kind mit sanfter Miene

genannt die weiße Trampeline.

"Mein schönes Fräulein!" flüstert er,
"Zum ersten Walzer, bitte sehr!"
...
Ja, dreimal tritt er in der Hitze
Auf Trampeline's Stiefelspitze. 
...

Und weiterhin wird – soviel sei verraten, um den dargestellten Besen zu erklären – auch das kostbare senegalische Teegeschirr zu Bruch gehen.

 

Anthromorphe Züge finden wir natürlich ebenso bei dem schlauen Reineke de Vos. Die hier angebotene Ausgabe von 1711 ist eine Wiederentdeckung der niederdeutschen Fassung und hat J. Christoph Gottsched bei seiner Übersetzung beeinflusst. Der foliogroße und tierfuttersackschwere Reineke Fuchs von Johann Wolfgang von Goethe mit den detailreichen Illustrationen von Wilhelm von Kaulbach erheitern uns immer wieder durch seinen boshaften und kritikreichen Witz. Hätte Goethe die Schildkröte aus dem ersten wissenschaftlichen und ausschließlich zoologischen Werk der Renaissance, die Historia animalium von Conrad Gessner gekannt, sicherlich hätte er dieses Prachtexemplar in sein Tierepos mit eingeschrieben. Sie ist eines der 23 Reptile, das in Holz geschnitten und 1617 in der hier vorliegenden dritten Ausgabe in einem kräftigen Druck veröffentlicht wurde. Von ganz anderer Art ist das Prachtwerk von Georg W. Knorr, das über 100 Jahre später erschienen ist und das durch die aufwendig per Hand aufgetragenen Farben besonders intensiv strahlt. Korallen, Muscheln, Schmetterlinge, Seeigel, Mineralien, Hummer und Spinnen, Seesterne, Fische, Vögel, Säugetiere und Reptilien wetteifern in ihrer Luminanz um die Wette und selbst für naturwissenschaftlich uninteressierte Betrachter ist es schwierig, sich den Schönheiten dieser Naturaliensammlung zu entziehen.

Gewaltig war auch das Buchprojekt des Schweizers Johannes J. Scheuchzer, das er zusammen mit dem Verleger Johann A. Pfeffel aus Augsburg bewältigte. Die Physica Sacra erläutert und erklärt auf über 2000 Seiten und mit 758 Kupfertafeln die naturwissenschaftlichen Aspekte der Heiligen Schrift, um so einen Gottesbeweis zu erbringen. Neben Läusen, Käfern, Nilpferden finden sich auch Elefanten, die zwei gemeinen Stoßzahntierjägern drohende Blicke zuwerfen. Der Elefant Hans Taps hingegen befindet sich da in einer amüsanteren Situation auf dem Ball im Senegal mit seiner sanften Trampeline, die er am Ende vielleicht sogar noch mit seinem Rüssel küssen wird. In den Notizen aus Frankfurt werden Tierfreunde erfahren, wie es dem neuen Bienenstamm im Frankfurter Zoo in diesen Zeiten ergeht und wer Donatus vom Rühlskopf ist.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Donatus vom Rühlskopf & zugezogene Bienen Heute sind wir besonders glücklich, dass sich Donatus vom Rühlskopf bereit erklärt hat, für ein Foto zu posieren. Der vierjährige Deutsch Drahthaar ist ein ausgebildeter Jagdhund, der sich auch gerne im Uhrengeschäft "Ebert" gegenüber des Tresor am Römer aufhält, wo sein Herrchen Herr Paulus tätig ist. Wir sehen Donatus hier in lässiger Stadtpose. Den Thierstruwwelpeter kannte er übrigens noch nicht.

Aus dem Zoo können wir die frohe Botschaft vermelden, dass im Mai annähernd 30.000 Bienen aus Karben nach Frankfurt gezogen sind. Doch kann man den neuen Bienenstock noch nicht besichtigen, denn Zoodirektor Casares legt darauf Wert, dass die "Menschenaffen" während der Corona-Pandemie von den Bienen ferngehalten werden. Da es nur eine begrenzte Anzahl von derzeitg sehr begehrten Eintrittskarten gibt, sollte man diese früh genug buchen. Der Imbisswagen und auch die Eisstände sind geöffnet.

DER ITALIENISCHE FREITAG


Die Begeisterung für Italien ist ungebrochen. Doch das Reisen in unser Sehnsuchtsland ist in diesen Zeiten zu einer Wunschvorstellung geworden, die genährt werden möchte und so bieten wir einen Spaziergang durch die Orangenhaine des italienischen Geistes an, seine  Gebilde, Gestalten und Landschaften. Die Euphorie für Italien hat Tradition und setzte in England in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts ein. Zahlreich sind die Reisebeschreibungen und Reiseführer, die den bildungsemsigen Reisenden begleitet, seine Erwartungen formuliert oder die Erinnerungen wachgehalten haben. Ein beliebtes deutsches Reisewerk “Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen ...” von Johann Georg Keyßler erschien 1740 und kann im folgenden Angebot in der vermehrten Ausgabe betrachtet werden. Die beiden Bände versorgten auch Goethes reisenden Vater mit Hinweisen zu Poststationen, über kunsthistorische Entwicklungen als auch über landestypische Eigenheiten, und das Stichwortregister erweckt noch heute unsere Neugierde auf angekettete Flöhe oder sich an Riesen rächende Zwerge. Fast 50 Jahre später hat Johann Wolfgang Goethe die drei umfangreichen Oktav-Bände von Johann Jacob Volkmann in sein Gepäck gezwängt. Die Kupferstiche der “Historisch-kritische Nachrichten von Italien …” sind luftig, die Ruinen erscheinen zärtlich umarmt von der Natur und feiern die Antike in empfindsamer Manier. Diese Italienbeschreibung wird als maßgeblich für das endende 18.Jahrhundert bezeichnet. Goethe hat sie jedenfalls fast täglich benutzt und beinahe sind wir uns sicher, dass die Stichworte “Karneval”, “Kastraten” und “Katzen” im wortreichen Register seine Aufmerksamkeit erregt haben mögen.

Das älteste Werk - über die Geschichte Italiens - , das wir hier anbieten, ist von Francesco Guicciardini verfasst worden und im Jahre 1566 erschienen. Die geologisch tiefsten Einblicke gewährt uns ein Führer über das unterirdische Rom. Wie sich die Zauberin Armidia in den Cavaliere Rinaldo verliebt und wohin sie ihn entführt, können wir in der geschätzten Übersetzung von Torquato Tassos "Befreites Jerusalem" lesen. Und ein wenig gruseln lässt uns das "Tagebuch" von Max Nohl, der unheimliches Türrütteln und Ungeziefer im Bett während einer Nacht in Ferrara beklagt. Um die Italienbegeisterung nicht zu mindern, sollte jedoch angemerkt werden, dass die Erfahrungen des Verfassers vorwiegend positiv waren und wir in heutiger Zeit nur in seltenen Fällen Tiere in Hotelbetten vorfinden. Tiere von besonderer Schönheit sind auf den über einen Meter hohen Kupferstichen zu entdecken, die die Bemalungen von Raffael in den Privatgemächern des Papstes nachbilden und die hier im Antiquariat oder in den zahlreichen wieder anlaufenden Ausstellungen anlässlich des 500.Todesjahres des Künstlers zu bewundern sind.
Die Bücher, Ansichten und Karten werden heute mit einem italienischen Kalbsgericht am Frankfurter Dom angeboten, unweit von der wiederbelebten Braubachstraße, wo der "Tresor am Römer" seine Besucher zu leicht geänderten Öffnungszeiten auch gerne nach Vereinbarung empfängt.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Italienisches Restaurant & Unitalienisch zu Hause Am Domplatz, unweit des "Tresor am Römer", öffnet heute wieder das italienische Restaurant "Cucina delle Grazie", das von Claudio Fiorentino geführt wird, dem sympathischen Italiener aus Apulien, der bereits seit 30 Jahren in Deutschland lebt. Wir werden uns bei dem nächsten Besuch wahrscheinlich für eine marinierte Kalbsnuss mit geröstetem Kürbis, die mit einer Sauce aus Burrata, einem Mozzarella ähnlichem Frischkäse gereicht wird, entscheiden. Sollte das Restaurant voll besetzt sein, gibt es hier in der Braubachstraße auch die Möglichkeit bei der "Margarete" vorbestelltes Essen, unter anderem mit der ganz unitalienischen Frankfurter Grünen Soße, abzuholen. Die Zubereitung zu Hause sei kinderleicht wie Spaghetti kochen ... was Claudio wohl dazu sagen würde?

DER ROTE FREITAG


Den 1.Mai verbinden wir zuallererst mit einem kämpferischen Signalrot, das Aufstände und Demonstrationen der Arbeiter ankündigt, das die hier angebotene Kinderrepublik plakativ unterstreicht oder die proletarische Jugend, die Johannes R. Becher als sogenannte Kampfgenossen animieren möchte.

Allerdings ist die Farbe Rot in ihren zahlreichen Tonvarianten auch dem leidenschaftlichen Gefühl der Liebe und der Erotik zugeneigt. Gerade in diesen Zeiten, in denen Berührungen, Umarmungen und Küsse uns untersagt sind, blicken wir sehnsüchtig auf das samtige tiefe Rot der Blütenblätter der Rose, die farbig gedruckt als Aquatintaradierung über enorme Verführungskünste verfügt. Empathisch, vielleicht sogar mit einer Träne im Auge, betrachten wir den Umschlag des provozierenden Grafikers John Heartfield, der effektreich eine Rose mit einer Operationszange drapiert hat und so den "Leidweg der Liebe" illustriert. Mit einem Tränenfluss werden wir "Anna Karenina" in den Händen halten und mit Schluchzen zwei Selbstmorde bedauern, die einer tragischen Doppelliebe in Goethes Schauspiel für Liebende, der "Stella", folgen.


Weniger tränenreich, aber genussvoll könnte die Lektüre von Boccaccios "Decameron" in der hier präsentierten venezianischen Ausgabe sein, die den Sinnenreichtum dieser Novellensammlung nicht mit der Farbe Rot unterstützt, sondern mit seiner eleganten Typografie, den illustrativen Initialen und den harmonisch und lichtreich geformten Schriftschnitten. Das Buch ist derzeit sehr begehrt. Eine Gruppe junger Menschen befindet sich in einem Landhaus bei Florenz in Quarantäne und dort erzählen sie sich Geschichten voller Sinnengenuss und Erotik. Auf dem farbig illustrierten Einband von "Der Mädchenhirt" können wir die rotgestreiften Kleider der sich anbietenden Mädchen betrachten oder das rote Hutband oder die roten Strümpfe, auf jeden Fall aber die rote Blume am Hut, ein Detail nur und doch verlockend genug. Von den erdbeerroten Küssen - auch diese gibt es -, den ganz besonderen und hier zu bewundernden Liebesäpfeln sowie anderen fruchtigen Liebesreizen kommen wir wieder zurück nach Frankfurt am Main, wo wir die roten Seiten der Stadt in unseren "Notizen aus Frankfurt" beschreiben.

Das Ladengeschäft hat wieder geöffnet - mit leicht veränderten Öffnungszeiten oder nach Vereinbarung - und wir freuen uns sehr, unsere Kunden hier begrüßen zu können.

 

 

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Ochsenblutrot & RRR-Rosen-Roth. Gerne hätten wir für unsere Kunden ein Foto vom Frankfurter Rotlichtviertel gemacht - ein hübsches kleines, rot blinkendes Schildchen vielleicht -, allerdings liegt dieses nicht in der unmittelbaren Umgebung des "Tresor am Römer" und so haben wir uns für das Neue Rote Haus entschieden, das ganz in unserer Nähe, in einem prächtigen roten Gewand am Hühnermarkt steht. Erst 2018 ist die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Altstadt von Frankfurt wieder eröffnet worden, zu dessen Gebäuden auch das Neue Rote Haus aus dem 14. Jahrhundert gehört. Die Fassade des ehemaligen Zunfthauses der Metzger wurde in Ochsenblutrot gestrichen und kann so, noch heute farblich passend, den Verkauf von Fleisch und der berühmten Frankfurter Würstchen begleiten. Tatsächlich ist es derzeit sehr ruhig auf dem Hühnermarkt. Die internationalen Besucher als auch die Tagestouristen fehlen und so werden die drei Wurstesser zur Mittagszeit nur von Friedrich Stoltze beobachtet, der von seinem Denkmal hinunterschaut, geschmückt mit einem prächtigen Bart, der dem von Karl Marx ähnelt. Friedrich Stoltze hat zusammen mit dem Maler Ernst Schalck ab 1860 die "Frankfurter Latern" herausgegeben, eine satirische Wochenzeitschrift, die er beschrieben hat als "weder schwarz-weiss noch schwarz-gelb lackirt, sondern durchaus rrr-rosen-roth" - und die unsere heutige Freitagsseite mit einer Rotnuance ergänzt.

Romantik am Freitag?


Die entscheidende Idee, die zur Romantikbewegung führte, entwickelte sich im Frühling. Diese Behauptung entbehrt zwar jeglichem literaturwissenschaftlichen Beweis, ist aber glaubhaft und leicht nachzuempfinden beim Anblick der blauen Hyazinthe, die jüngst im Bethmannpark in Frankfurt gesehen, von Hunderten von Augenpaaren bewundert, dann fotografiert wurde und sich nun am Ende unseres Angebotes in voller Pracht präsentiert.

Stellen wir uns einen mittelalterlichen Ritter oder Minnesänger vor, der, geschützt von groben Burgmauern mit seiner Angebeteten durch den Burggarten promeniert und vor einer blauen Hyazinthe entzückt verweilt, um dann - ebenso entzückt - die holde Jungfrau in die Arme nimmt, um sie zu küssen. Abends vor dem Kamin hat er diesen eindrucksvollen Moment in Wort und Ton gesetzt und das Notenpapier unter die Tür des Zimmers der jungen Frau geschoben. Da ſie die ſchoͤnen Bluͤmelein / So glaͤnzen ſah im Thaue, / Wer mag der Bluͤmlein Meiſter ſeyn, / Gedachte die Jungfraue. 1806 erschienen diese Zeilen in der Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn, heute finden Sie das Lied in einem der drei Bände in einer Ausgabe von 1845/46 in unserem Angebot. So gesellen sich noch weitere Augenblicke der Frühromantik bis zur Spätromantik in originalen oder auch späteren und illustrierten Ausgaben zu den handkolorierten Kupferstichen mit blauen Blumen aus dem Hortus Eystettensis und denen aus dem Garten der Maria Sibylla Merian.

Hier sei wieder der Wunsch nach Gesundheit geäußert und der Hinweis, dass trotz geschlossenen Ladentüren unser Versandservice weiterhin stattfindet.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Romantik-Museum & Blaue Hyazinthe. 2 Minuten, 4 Minuten, 6 Minuten, 8 Minuten, 10 Minuten und immer noch hat kein Fußgänger das Deutsche Romantik-Museum, das im Innenstadtbereich von Frankfurt liegt, passiert. Ein kurzes Gespräch über das neue Gebäude mit einem interessierten Passanten, einem Mitarbeiter aus dem nebenan liegenden Freien Deutschen Hochstift oder einem Ritter, einem modernen natürlich, war erhofft gewesen. Hinter der dunklen Scheibe des Eingangs bewegt sich jemand, vielleicht wird der Innenausbau fortgesetzt, denn eigentlich sollte das Museum in diesem Frühjahr eröffnet werden. Enttäuscht geht der Blick von dem rot-weißen Absperrzaun (ein unästhetisches Element aus Kunststoff, das für ein Foto gänzlich ungeeignet ist) vor dem Eingangsbereich über die fertig gestrichene helle Fassade mit Burgcharakter entlang, folgt einem Zickzackelement, bleibt an einer kleinen Fensterluke mit Fensterladen hängen, springt nach rechts zur angrenzenden Ziegelmauer des Goethe-Hauses und fliegt geschwind nach oben in das Blau des Himmels. Hier entfalten sich die Gedanken, die der Farbe folgen und von einer besonders blauen Hyazinthe im Bethmannpark angezogen werden. Wir können sie hier auf einem Foto bewundern und verbinden mit dieser blauen Blume unsere Hoffnungen, dass das Deutsche Romantik-Museum bald eröffnet wird, damit die Kultur in Frankfurt am Main weitere Blüten bilden kann.

Eine Mitgliedschaft im Freien Deutschen Hochstift können wir übrigens wärmstens empfehlen. Sie haben nicht nur die Möglichkeit zahlreiche Veranstaltungen vergünstigt, sondern auch das Goethe-Haus mit seinen 18 Zimmern, das Goethe-Museum mit seiner aufregenden Füssli-Sammlung und das vielversprechende Romantik-Museum frei zu besuchen.

DER GRÜNE FREITAG


Der grüne Freitag vereint Bücher und Grafik aus den Bereichen Literatur, Botanik, Kinderbuch, Zoologie, Topographie und als aktuelle frankfurterische Notiz folgt unserem Angebot das grüne, verführerisch schimmernde Olivenöl der Feinkosthändlerin Caterina Ferraro aus der Kleinmarkthalle in Frankfurt.

All die unterschiedlichen Grüntöne sehen wir geeint und doch in Material und Wirkung unterschiedlich. Während die Blätter der Zitronatzitrone in einem bläulichen Grün aquarelliert sind, kleidet das grüne Maroquin die Duineser Elegien elegant und zurückhaltend. Die Französische Reinette hingegen lockt den Apfelfreund mit seiner frischen Grünfärbung, die sich von einem kräftigen Lindgrün in ein dunkles Schattengrün bewegt. Und die Deckelvergoldung in Form von Linien, 4 Sternchen und dem dynamisch gezeichneten Pegasus auf dem ledernen Grün führt würdevoll in die Tragödie, die von Fritz von Unruh verfasst ist. Fröhlich und unbeeindruckt von der Tragödie springt aber der Grashüpfer von dem Illustrator Ernst Kreidolf über die Vorderseite des Pappeinbandes und möchte uns heiter in Erinnerung bleiben.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen alles Gute und verweisen auf unseren Versandservice, der weiterhin stattfindet.

NOTIZEN AUS FRANKFURT

Olivenöl & Grüne Soße. In der Kleinmarkthalle, eine Institution in der Frankfurter Innenstadt, verkauft Caterina Ferraro aus Kalabrien italienische Feinkost und das besonders ansprechende durchscheinend grüne Olivenöl. Das Dolce Vita, Stand 114-115, bietet nach wie vor - wie fast alle über 60 Kleinmarkthändler - seine Ware an, darunter die für die Stadt Frankfurt typische grüne Soße. Auch hier zwischen den Marktständen ist der Andrang zurückgegangen und doch spürt man nach wie vor das ganz besondere Flair der 1954 wieder aufgebauten Markthalle. Sogar die gerade 80 Jahre alt gewordene Frau Schreiber ("Wollen Sie Rinds- oder Schweinewurst?" Die Touristen, die sich normalerweise vor der schmalen Wurstausgabe schlängeln, werden nur ganz knapp befragt mit "Beef or porc?") steht am Espressotresen und lacht. Wir freuen uns, dass Caterina Ferraro sich bereit erklärt hat, von uns fotografieren zu lassen und wünschen ihr und ihren Kollegen alles Gute für die nächsten Wochen.

Hier sei nochmals angemerkt, dass die Kleinmarkthalle vorerst, mit einigen Einschränkungen, regulär geöffnet bleibt.